Die Informationen zu Gerda Stern, Berthold Kohn, Esther und Mathel Rosenbaum, Rosalie Hansen, Bianka und Lucie Leser sowie Alice, Erna und Else Gottschalk habe ich im Zusammenhang mit einer Kundgebung zur Erinnerung an die Deportation am 6. Dezember 1941 von Hamburg nach Riga zusammengestellt.
Neben der allgemeinen Bewerbung der Kundgebung über Flyer, Social Media und den Newsletter bemühe ich mich stets, auch kurze Texte zu einzelnen Verfolgten zu verfassen und in der heutigen Nachbarschaft zu verteilen.
Aus den drei Wohngebieten rund um den Bahnhof Sternschanze wurden insgesamt 34 Menschen deportiert. Mein Schwerpunkt lag darauf, Informationen über diejenigen zu verbreiten, die aus dem Schanzenviertel stammten. Insgesamt wären 34 Einzelporträts nicht zu bewältigen gewesen. In manchen Häusern, wie dem Kleinen Schäferkamp 32 – damals bereits ein sogenanntes Judenhaus – habe ich bereits mehrfach Informationen verteilt. Zu den Bewohnerinnen der Schäferkampsallee 25/27 und 29 besteht zudem ein eigenes Projekt, das noch nicht abgeschlossen ist. In diesem Zusammenhang werde ich zu diesen Personen noch ausführlicher arbeiten.
Bei der Aufarbeitung der Gesamtgeschichte hatte ich zunächst insbesondere die Überlebende Rosa Hansen im Blick. Im Laufe der Zeit kamen Berthold Kohn und Gerda Stern hinzu. Sie wohnten zwar nicht im Schanzenviertel, doch bestimmte Aspekte ihres Lebens haben meine Aufmerksamkeit geweckt: Bei Berthold Kohn war es seine Tätigkeit im Jüdischen Gemeinschaftshaus, und bei Gerda Stern eine zunächst vermutete Nähe zur Klosterwall-Schule (die sich jedoch nicht bestätigt hat). Bei einzelnen Informationen bin ich besonders gespannt auf die Reaktionen aus der Nachbarschaft – etwa bei den Familien Gottschalk und Leser.
Gertrud Stern wurde am 9. August 1909 in Hamburg geboren. Ihre Eltern waren Willy und Mina Nadel. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete ihr Vater in zweiter Ehe Emma Stern. Gertrud besuchte die Schule bis zu ihrem 16. Lebensjahr und begann danach eine Lehre, wahrscheinlich als Einzelhandelskauffrau. Nach Abschluss ihrer Ausbildung in der Zeit der Weimarer Republik arbeitete sie unter anderem als Verkäuferin bei Karstadt.
Mit der Machtübernahme der NSDAP und anderer rechter Parteien im Jahr 1933 – die NSDAP hatte keine absolute Mehrheit – veränderte sich das Leben jüdischer Menschen grundlegend. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1936 wohnte Gertrud mit ihrer (Stief-)Mutter in der Kiebitzstraße 24. Das Ehepaar Hannah und Walter Bonnier war Untermieter bei den Sterns. Gertrud schrieb später, dass „von dem Tag an er (Walter) auch dauernd Unannehmlichkeiten hatte. Er wurde beschimpft und die Gestapo war dauernd vor der Tür.“
Von 1935 bis 1937 arbeitete sie als Verkäuferin beim Herrenausstatter Leyser in der Wandsbeker Chaussee, einem jüdischen Unternehmen. Dessen Umsatz litt massiv unter der antisemitischen Hetze – innerhalb von fünf Jahren war er um 50 Prozent zurückgegangen –, sodass sie dort schließlich nicht länger beschäftigt werden konnte. Ab Juli 1937 bis zum 2. Dezember 1941 wurde sie in Hamburger Betrieben zur Zwangsarbeit verpflichtet, weil sie Jüdin war.
Deportationsort nach Riga

Bevor sie am 6. Dezember 1941 deportiert wurde, musste sie ihr Gepäck, das sie nach Riga mitnehmen wollte, in der Israelitischen Töchterschule im Hamburger Karolinenviertel abgeben. Die Gestapo nutzte die Turnhalle der jüdischen Schule, um den Deportierten ihre Habseligkeiten abzunehmen. Abfällig sprach man von „Judengut“.
Am Tag der Deportation durfte Gertrud Stern nur Dinge des unmittelbaren Bedarfs in einem Seesack mitführen. „Wir durften diese Sachen nicht in den Zug mitnehmen; sie sollten gesondert transportiert werden“, erinnerte sie sich später. Doch auch diese Gegenstände wurden ihr geraubt. „Selbst die Fotos meiner Angehörigen wurden zerrissen und mit der Bemerkung ‚Das brauchst du dort nicht mehr‘ vor meine Füße geworfen“, berichtete sie.
Bereits am 4. Dezember 1941 war die Gestapo in ihrer Wohnung gewesen und hatte Wertgegenstände geraubt. „Nach der Deportation … kam die Gestapo nochmals, um das Zimmer zu durchsuchen. Sie beschlagnahmte die Schreibmaschine und nahm sie mit“, berichtete Hannah Bonnier, die mit ihrem Mann zur Untermiete bei den Sterns wohnte. Der damalige Hausmeister verhinderte, dass auch ihre Heizkohle mitgenommen wurde.

Vom Ghetto Riga in verschiedene Konzentrationslager
Das Ghetto in Riga, in dem die Deportierten leben mussten, wurde im November 1943 aufgelöst. Diejenigen, die als arbeitsfähig galten, wurden in das neu errichtete Konzentrationslager Riga-Kaiserwald überführt. Die als „nicht arbeitsfähig“ eingestuften Menschen wurden nach Auschwitz deportiert.

Als die Rote Armee vorrückte, räumte die SS das KZ Kaiserwald, und die Häftlinge wurden in das KZ Stutthof bei Danzig verlegt. Von dort kam Gertrud Stern in ein Außenlager in Thorn (Toruń). Als dieses im Januar 1945 aufgelöst wurde, trieb man die Gefangenen in einem Todesmarsch in das KZ-Außenlager Bromberg (Bydgoszcz).
Befreiung am 27. Januar 1945
Am 27. Januar 1945 wurde das Außenlager Bydgoszcz durch die Rote Armee befreit – und damit auch Gertrud Sterns Leben gerettet. Da der Krieg noch andauerte, konnte sie nicht sofort nach Hamburg zurückkehren. Erst am 21. Mai 1945 trat sie ihre Heimreise an.
