Die Informationen zu Gerda Stern, Berthold Kohn, Esther und Mathel Rosenbaum, Rosalie Hansen, Bianka und Lucie Leser sowie Alice, Erna und Else Gottschalk habe ich im Zusammenhang mit einer Kundgebung zur Erinnerung an die Deportation am 6. Dezember 1941 von Hamburg nach Riga zusammengestellt.
Neben der allgemeinen Bewerbung der Kundgebung über Flyer, Social Media und den Newsletter bemühe ich mich stets, auch kurze Texte zu einzelnen Verfolgten zu verfassen und in der heutigen Nachbarschaft zu verteilen.
Aus den drei Wohngebieten rund um den Bahnhof Sternschanze wurden insgesamt 34 Menschen deportiert. Mein Schwerpunkt lag darauf, Informationen über diejenigen zu verbreiten, die aus dem Schanzenviertel stammten. Insgesamt wären 34 Einzelporträts nicht zu bewältigen gewesen. In manchen Häusern, wie dem Kleinen Schäferkamp 32 – damals bereits ein sogenanntes Judenhaus – habe ich bereits mehrfach Informationen verteilt. Zu den Bewohnerinnen der Schäferkampsallee 25/27 und 29 besteht zudem ein eigenes Projekt, das noch nicht abgeschlossen ist. In diesem Zusammenhang werde ich zu diesen Personen noch ausführlicher arbeiten.
Bei der Aufarbeitung der Gesamtgeschichte hatte ich zunächst insbesondere die Überlebende Rosa Hansen im Blick. Im Laufe der Zeit kamen Berthold Kohn und Gerda Stern hinzu. Sie wohnten zwar nicht im Schanzenviertel, doch bestimmte Aspekte ihres Lebens haben meine Aufmerksamkeit geweckt: Bei Berthold Kohn war es seine Tätigkeit im Jüdischen Gemeinschaftshaus, und bei Gerda Stern eine zunächst vermutete Nähe zur Klosterwall-Schule (die sich jedoch nicht bestätigt hat). Bei einzelnen Informationen bin ich besonders gespannt auf die Reaktionen aus der Nachbarschaft – etwa bei den Familien Gottschalk und Leser.
Es geht um ein Stück Geschichte aus unserer Nachbarschaft, die man meistens nicht im Blick hat. Konkret geht es um zwei Nachbarinnen aus der NS-Zeit, die in der Vereinsstraße 40a lebten: Bianka Leser und ihre Tochter Lucie. Sie wurden von hier am 6. Dezember 1941 über Hamburg nach Riga deportiert und dort ermordet, weil sie Jüdinnen waren. An diese Menschen vom 6. Dezember soll mit einer Kundgebung am 8. Dezember 2025 um 17 Uhr an der Ecke Schanzenstraße/Lagerstraße hinter dem Sternschanzen-Bahnhof erinnert werden.
Wer waren Bianka und Lucie Leser?
Bianka Jessel wurde am 30. Mai 1866 in Stettin/Szczecin geboren. Dort lebte sie mit ihren Eltern, Cäcilie und Moritz sowie ihren zwei Schwestern, Grete (geb. 1867) und Leonore (geb. 1870). Die Stadt gehörte seit dem 18. Jahrhundert zu Preußen (vorher zu Schweden). 1886 heiratete sie Michael Leser, einen Hamburger, der aber in Szczecin wohnte. Seit 1920 lebte sie in der Brunnenhofstraße 25 in Altona, das damals ebenfalls zu Preußen gehörte. Im Adressbuch wurde “Witwe” vermerkt und dass sie einen Zigarrenversand betrieb. Wann Michael Leser starb, wissen wir im Moment nicht. Die beiden hatten eine Tochter, Lucie, die am 9. Januar 1891 in Szczecin geboren wurde. Den Unterlagen haben wir entnommen, dass für seit 1924 eine so genannter Pfleger gestellt wurde, da sie geistig beeinträchtigt war. Er sollte ihre rechtlichen Interessen wahren, war aber nicht ihr Vormund, sondern war für einen festgelegten Zeitraum in Vermögensfragen für sie verantwortlich, das weder sie noch ihre Mutter hatten.

Lucie lebte weiter bei ihrer Mutter. Von 1928 bis 1938 lebten sie im “Leja-Stift” in der damaligen Großen Bergstraße 120 (heute Thadenstraße). Der Leja-Stift war von seinem Gründer, Benjamin Leja, insbesondere für Frauen im höheren Alter und mittellos geschaffen worden, so dass sie geschützt leben konnten. Das Wohnen in einem jüdischen Stift bedeutete “mietfrei”, lediglich Betriebskosten in einem für uns nicht vorstellbaren niedrigen Maße fielen an (den Stift gibt es bis heute).

Im März 1938 zog Bianka mit ihrer Tochter in die Vereinsstraße 40a. Hintergrund war, dass der Leja-Stift “arisiert” wurde, sprich die jüdische Verwaltung vertrieben und den jüdischen Bewohnerinnen gekündigt wurde. Die beiden wohnten im 1. Erdgeschoss bei Sara Cohn. Deren Sohn, Waldemar, war bereits am 8. November 1941 nach Minsk deportiert und dort ermordet. Sara Cohn wurde am 24. März 1943 nach Theresienstadt/Terezin deportiert, wo sie am 26. Oktober 1943 ums Leben kam.
