Wenn es um sowjetische Zwangsarbeiter:innen geht, ist mein Interesse groß, etwas über sie in Erfahrung zu bringen und zu erzählen. Sie wurden am schlimmsten hier behandelt und die meisten Opfer unter den Zwangsarbeitern kamen aus der Sowjetunion. Ihre Heimat dürfte von der Wehrmacht zerstört worden sein, sie selber wurden verschleppt u.v.a.m.
Der Antikommunismus und Antisowjetismus nach 1945 hat der Erinnerungskultur in Hamburg schweren Schaden zugefügt, der Stalinismus hat seinen Beitrag geleistet, dass diese NS-Opfer aus dem Blick gekommen sind. Bei den sowjetischen Zwangsarbeitern bei der Stadtreinigung habe ich keine Namen, Lager oder Arbeitsorte gefunden. Herausgekommen sind leider wenige Fakten und Allgemeinplätze.
Zum April 1943 waren 15 sowjetische Zwangsarbeiter direkt bei der Stadtreinigung für Schuttbeförderung eingesetzt worden.

Aus den gefundenen Dokumenten kann man belegen, dass 500 sowjetische Menschen als Zwangsarbeiter für Trümmerarbeiten und Aufräumungen in Hamburg ab Oktober 1942 zum Einsatz kamen.

Es kann mangels Forschung und Dokumentation heute nicht gesagt werden, an wen die Aufträge für diese Arbeiten gingen. In der Baubehörde gab es eine Abteilung im „Amt für kriegswichtigen Einsatz“, die diese Aufräumungsarbeiten zu verantworten hatte. Das später für diese Aufgaben zuständige Aufräumungsamt (ab April 1944) gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Man kann vermuten, das (a) der Transport der Trümmer und (b) dessen Verwertung bei den Müllverbrennungsanlagen jeweils Punkte war, wo auch sowjetische Zwangsarbeiter über die Stadtreinigung direkt zum Einsatz kamen (aber belegbar sind im Moment nur die 15).
Die „Vermittlung“ der Zwangsarbeiter:innen wurde in der NS-Zeit bis auf die KZ-Insassen über das Arbeitsamt organisiert. Leider sind dessen Unterlagen im Hamburger Staatsarchiv nicht einsehbar und nicht erschlossen. Auf einer Arbeitsamtbesprechung im Uhlenhorster Fährhaus vom 21. Juli 1942 wurde auf den Beschränkungen des Arbeitseinsatzes sowjetischer Menschen zu dem damaligen Zeitpunkt hingewiesen, dass sie nur zur Beseitigung von „Angriffsschäden“ eingesetzt werden durften.

Das (im April) 1944 gegründete Aufräumungsamt setzte direkt auch sowjetische Zwangsarbeiter:innen zur Verwertung von Bauschutt etc. ein.

Sowjetische Frauen auf dem Heiligengeistfeld
Aus den Berichten der Bauverwaltung ab Mai 1944 ergibt sich, dass auch bis zu 400 so genannte Ostarbeiter direkt vom Aufräumungsamt eingesetzt wurde.

Zum Zeitpunkt der Gründung des neuen Amtes gehörte die Stadtreinigung noch nicht dazu. Es ging um „Aufräumen“, „Steinverwertung“ und „Bergung“ sowie die Resourcenplanung „Einsatz“.

Im August 1944 wurde den Stadtreinigung dem Aufräumungsamt unterstellt. Dennoch ist eine Gleichsetzung des Einsatzes sowjetischer Menschen in der Stadtreinigung und dem Aufräumungsamt nicht richtig.
Sowjetische Zwangsarbeitende waren wilde und primitive „Untermenschen“, die entsprechend zu behandeln waren
Es gibt zurzeit auch keinen strukturierten Überblick, an welchen Orten die sowjetischen Menschen arbeiten mussten. Auch sind bisher keine Namen beim direkten Arbeitseinsatz beim Aufräumungsamt bekannt und auch nicht, in welchen Lagern sie leben mussten. Die Nazis erfanden für die den Begriff der „Ostarbeiter“. Hier handelt es sich um eine Sprachregelung, um den Charakter brutalster Ausbeutung der sowjetischen Menschen zu verschleiern und war Ausdruck ihres chauvinistischen und rassistischen Weltbilds des NS-Systems.
Nach dem Überfall im Juni 1941 auf die Sowjetunion waren die NS-Führung von ihrem erfolgreichen Eroberungsfeldzug überzeugt. Die sowjetischen Kriegsgefangenen wurden nicht nach Deutschland verschleppt. Zwei Millionen starben in den in der SU eingerichteten Lager. Friederike Littmann schreibt in ihrem Buch „Ausländische Zwangsarbeiter in der Hamburger Kriegswirtschaft 1939-1945“

„Von Göring veranlasst, gab der Reichsführer SS am 20. Februar 1942 »Allgemeine Bestimmungen über Anwerbung und Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten« mit genauesten Anweisungen zur Behandlung und zum Einsatz der »Arbeitskräfte aus dem Osten« heraus. Der Erlass umfasste differenzierte Vorschriften zu Arbeitskräften aus dem »altsowjetrussischen Gebiet«, Arbeitskräften aus den »ehemaligen Staaten Litauen, Lettland und Estland«, Arbeitskräften »polnischen Volkstums aus dem Generalgouvernement und den eingegliederten Ostgebieten« und »Fremdvölkischen Arbeitskräften nicht-polnischen Volkstums aus dem Generalgouvernement und den eingegliederten Ostgebieten«, die in dieser Reihenfolge mit abnehmender Schärfe unterschiedlich abgestuften Behandlungskriterien unterworfen wurden.
Einem späteren Erlass Görings vom Juni 1942 entsprechend, waren die von Arbeitskollegen und der Bevölkerung später als »OST«-Arbeiter erinnerten Menschen, die das Zeichen »OST« trugen und häufig erbarmungswürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen unterworfen waren … Ähnlich wie in Polen erhalten in vielen Berichten der ehemaligen Zwangsarbeiter immer wieder die gnadenlosen Menschenjagden ein besonderes Gewicht, bei denen kein Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen gemacht wurde, bei denen Mütter mit Kleinkindern ebenso verschleppt wurden wie Schwangere, Kranke und ältere Menschen.
Um hier jegliche Berührung oder gar Sympathie .., gar nicht erst aufkommen zu lassen, wurde von der politischen Propaganda eine diffuse Angst vor »bolschewistischer Hetze«, Sabotage und Zersetzung verbreitet. Unter den Zivilarbeitern erwartete man ein solches Verhalten insbesondere von den »Russen aus dem altsowjetrussischen Gebiet«, das östlich der Grenzen von Ukraine und Weißrussland begann und das so genannte alte Russland meinte. Sie wurden von der NS-Propaganda als wilde und primitive »Untermenschen« dargestellt und mit schärfsten, unterdrückenden Behandlungsvorschriften belegt.“