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Holger Artus

Kriegsgefangenen Bau- und Arbeits-Bataillon (IMI) in den Lagerhäusern am Dessauer Ufer/Lagerhaus G

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Nach dem Text über ein Lager für eine Kompanie eines Bau- und Arbeitsbataillion (BAB) der Wehrmacht, bestehend aus IMI, im Mühlenweg 3, aus dem später das KZ-Außenlager Sasel wurde, folgt jetzt ein weiterer Text über ein Lager im Dessauer Ufer, vermutlich im Lagerhaus G.

Antonio Coto schickte am 18. September 1944 eine Postkarte nach Hause. Seine Frau wohnte mit ihrer Tochter in Stornerella (in der Provinz Foggia) in Italien. Die Post der Kriegsgefangenen wurde mit einem deutschen Zensur-Stempel bestätigt, dass der Brief von der Wehrmacht gelesen worden war. Der Stempel ist vom „… und Arbeitsbataillion (it) 197“

Quelle: Studiengruppe Postgeschichte, Olaf Beecken, Bd.

Antonio Coto gehörte zu den 1.024 italienischen Militärinternierten, die im Stalag XB in einem Bau- und Arbeitsbatailon als Zwangsarbeiter von der Wehrmacht zwischen Mai bis September 1944 und danach im Landesbatailon 22 bis zur Befreiung eingesetzt wurde. Das BAB 197 war laut „Handbuch und Katalog der Lagergeschichte und Lagerzensurstempel“ „im Raum Hamburg, Veddel“ eingesetzt. 

Der gesamte Briefverkehr lief über die Abteilung Postüberwachung der Stalags. Dort wurden alle Briefe der Kriegsgefangenen kontrolliert und zensiert. Nicht jedes Thema durfte angesprochen werden, insbesondere waren militärische, politische oder das Lagerleben kritisch darstellende Inhalte verboten. Die Themen der Briefe waren meist auf wenige persönliche Dinge begrenzt. Viele Briefe fokussierten sich auf Lebenszeichen, die eigene Gesundheit sowie familiäre Sorgen und vermieden kritischere Inhalte, da sie ansonsten von der Zensur zurückgehalten oder aussortiert wurden.

Der Philatelist, Olaf Beecken, schreibt in seiner Band 42 der „Studiengruppe Postgeschichte“ über die Postkarte von Antonio Coto: „Die Karte stellt eine echte Neuentdeckung dar, da von dieser Einheit bisher keine postalischen Belege aus Hamburg nachgewiesen werden konnten….Besonders interessant scheint mir die Tatsache zu sein, dass der Gefange selbst außer seinem Namen und seiner Gefangenennummer 202959 kein Absenderangabe macht. Eine weitere Person fügt « Kdo 1470 / F.5.A Komp.» hinzu. Das Arbeitskommando 1470 auf der Veddel im Schuppen G ist postalisch gut belegt. … Der rote Zensurstempel oben links auf der Vorderseite belegt eindeutig, dass Coto Angehöriger des BAB 197 war. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass Coto just um diese Zeit vom Akdo. 1470 zum BAB 197 wechselte. … Das würde auch der obigen Angabe entsprechen, wonach im April 1944 das BAB 197 erstmalig für Hamburg aufgeführt wird.“

Kriegsgefangenen-Bataillon für Strom- und Hafenbau im Lagerhaus am Dessauer Ufer

Strom- und Hafen, heute HPA, war 1940 in Hamburg als staatliche Behörde schwerpunktmäßig für den Ausbau, die Verwaltung und den Betrieb der Hafen- sowie Strominfrastruktur zuständig, insbesondere den Bau und die Unterhaltung von Hafenanlagen, Wasserstraßen und Eisenbahninfrastruktur. Eine neue Recherche hat ergeben, dass Strom- und Hafenbau  112 Kriegsgefangenen in den Lagerhäusern  als Zwangsarbeiter aus einem „1. Kom. Kgf. Bau- und Arbeits Batl.“ für seine Zwecke einsetzte. 

Um welches BAB es sich genau handelte, ist nicht bekannt. Aber strukturell kann es sich vermutlich nur im sowjetische Kriegsgefangene oder italienisch Militärinternierte handeln. In Lagerhaus H am Dessauer Ufer waren zu dem Zeitpunkt sowjetische, in den Lagerhäuser F und G italienische Menschen. 

Nur 18 Namen von fast 2.000 IMI in den Bau- und Arbeitsbatailonen in Hamburg bekannt

Bisher sind nach Angaben der „Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg“ nur 18 Namen von italienischen Militärinternierten aus den ab April/Mai 1944 gebildeten BAB bekannt. Sie beruhen auf den Recherchen von Olaf Beecken (Studiengruppe Postgeschichte) und Anfragen von Angehörigen. Es sind sehr fragmentarische Angaben:

  1. Lotti gehörte am 11. Mai 1944 dem AK 1410 in Fuhlsbüttel an und wechselte am 28. Mai 1944 in BAB 200
  2. Brandolini,
  3. Cappelo, 
  4. Roversi und 
  5. Mazzucchelli gehörten seit Oktober 1943 dem AK 1417 in Bahrenfeld an und wechselten am 15. Juli 1944 ins BAB 200 (It)
  6. Nordic gehörte am 6. Mai 1944 dem AK 1594 in Neugraben an, wechselte zum 15. Juni 1944 in BAB 201 (it)
  7. Salvatore gehörte am 18. Oktober 1943 dem AK 324 in Harburg im Lager Schützenplatz an, am 3. Mai 1944 in AK 1597 in Neugraben. Am 15. Juni 1944 in das BAB 201 (it)
  8. Rencurosi gehörte am 4. Oktober 1943 dem AK 324 Schützenplatz an, am 7. Februar 1944 in AK 1397. Am 15. Juni 1944 kam er ins BAB 201 (it). Bis zum Tod BAB L 22
  9. Manini im Celler Hof Gaststätte gestorben. BAB 201 IT 3. Kompanie
  10. Francesco Cottuso
  11. Romano Meglia am 9. Oktober 1944 durch Arbeitsunfall gestorben (BAB 201 it)
  12. Salvatore Mitilello am 21. November 1944 durch Luftangriff verstorben BAB L 22
  13. Rafaele Curei starb am 15. April 1944 am Angehöriger der 3. Kompanie des BAn 201 It  in Langenbek
  14. Carlo Borghi am 17. Januar 1945  in NRW als BAL L 22 gestorben
  15. Vito Trintinaglia 4. Komp. L 22 Hamburg 
  16. Antonio Coto, Lagerhaus Dessauer Ufer
  17. Rosario Malfa, 1. Kompanie BAB 201
  18. Bunomo Gulberti, 1. Kompanie BAB 201

Bisher war nur einer der Standorte der 3. Kompanie des IMI- BAB 201 bekannt: der „Celler Hof“ in Hamburg Langenbek, einem Ortsteil von Harburg. Neu entdeckt wurde jetzt der Standort der 1. Kompanie des BAB 201 am „Alten Mühlenweg 3“ in Sasel. Aus den Recherchen zu Rosario Malfa , ebenfalls aus der 2. Kompanie des BAB 201, sich das „Lager Tarpenbek“ (Lager Tannenkoppel, Weg 4). Dies war in der Essener Straße 54, ein Zwangsarbeitslager der Rüstungsindustrie in Hamburg Langenhorn. Für die 4. Kompanie des BAB 201 wird der Lagerstandort in Hamburg 1 angegeben, einen genauer Ort kann man zurzeit nicht identifizieren. Bei Antonio Coto geht es um die Lagerhäuser am Dessauer Ufer.

Einer der Namen aus dem BAB 201 ist der von Rosario Malfa.  Eine „Kriegsgefangenen-Postkarte“ belegt, dass er im Bau- und Arbeitsbataillion 201, in der II. Kompanie, arbeiten musste. 

Alberto Malfa erzählte 2022 über ihn: „Mein Vater Rosario Malfa wurde am 2. Oktober 1917 in Mazzarino, Provinz Caltanissetta, geboren. Mit 26 Jahren hatte er bereits zwei Wehr- und drei Kriegsjahre geleistet. Er war seit September 1938 im Korps der Savoia Cavalleria in Turin und wurde dann nach Voghera, dem Regimento Cavalleggeri di Monferrato, versetzt.“ Er gehört nach dem Waffenstillstand vom 8. September 1943 zu den Soldaten, wie die meisten italienischen Soldaten, der nicht mehr an der Seite der Deutschen kämpfen wollte, entwaffnet und gefangen genommen wurde. Auf überfüllten Eisenbahnwaggons und unter unmenschlichen Bedingungen wurde er zusammen mit anderen Soldaten, die wie er „Nein“ gesagt hatten, nach Hamburg verlegt. Ihr Status wurde geändert und von Kriegsgefangenen wurden sie zu „italienischen Militärinternen“ der IMI, die als Zwangsarbeit eingesetzt wurden und damit die Garantien der Genfer Konventionen und die Unterstützung des Roten Kreuzes verloren.

Beraubt aller Rechte, gedemütigt, beleidigt, verhöhnt, unterernährt, unter Kälte und Hunger gewogen weniger als 40 Kilo. Die Heimkehr (August 1945) war ebenso dramatisch, denn die Bevölkerung dachte fälschlicherweise, sie seien Verräter des Vaterlandes, aber das war nicht der Fall.

Von all den Soldaten, die nach dem 8. September 1943 hofften, in Frieden in ihre Häuser zurückzukehren, wurden 650.000 gefangen genommen und in den Nazi-Lagern eingesperrt. Nur 400.000 kamen zurück. Mein Vater war unter ihnen. Erinnern wir uns an sie alle. Wer ist zurück und wer nicht. Sie haben für die Freiheit gekämpft. Sie sagten „Nein“. Sie haben „den anderen Widerstand“ gemacht.

Ich denke, es ist an der Zeit, die Geschichte (einschließlich der IMIs, die es in den Geschichtsbüchern nicht gibt) wirklich zu studieren, um zu verstehen und nicht wieder Fehler zu machen. Denn es ist nicht möglich, bei denselben Dingen immer falsch zu liegen. Krieg macht keinen Sinn: nie!“

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