Über die italienischen Militärinternierten bei Dolmar in der Luruper Chaussee 125 in der NS-Zeit hatte ich einen Text geschrieben und an heutige am Standort beheimatete Unternehmen gemailt. Ich habe nur selektiv im Netz nach möglichen Kontakten geschaut, da meine Gesundheit eine Wahrnehmung der verschiedenen Unternehmen vor Ort nicht zuließ.
Ursprünglich wollte ich den Text vor Ort am Sitz des heutigen Eigentümer des Unternehmens, MAKITA, in Wandsbek verteilen. Zur technischen Klärung hätte ich vorab nach Wandsbek fahren müssen, was ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war. Normalerweise schaue ich mir die Verteilorte und die Uhrzeiten an, um nicht zu blöde auszusehen, wenn ich dort stehen würde. Auch „zählte“ ich die Druckauflage.

Weiter kam hinzu, dass die ursprüngliche Idee, wie man an die IMI, die in der Tribüne des Volksparkstadions im Lager leben mussten, erinnern könnte, durch Aktivitäten anderer für mich nicht sinnvoll erschien. Deswegen hatte ich mich entschieden, eine Info zu den IMI aus dem Volksparkstadion und zu Dolmar im Web selber zu verbraten. Zufrieden bin ich überhaupt nicht, aber ich wollte es erledigen.
Der vierte Punkt bei der Erzählung zu Dolmar war die umfangreiche Denunziation der Unternehmensleitung gegenüber den deutschen Beschäftigten, die nicht mit den Nazis brüllten. Da ich mich aktuell mit diesem Thema im Zusammenhang mit der NS-Geschichte von Hans Still beschäftige, wollte ich mir die Systematik und „Begründungen“ genauer angesehen. Das der im KZ Dachau ums Leben gekommene Julius Ehling als „Berufsverbrecher“ dargestellt wurde, war mir erst die letzen Tage bewusst geworden. Das habe ich in der Info ausgelassen, da es vom Thema der IMI zu weit weggeführt hätte.
Ich komme Ihnen mit einem Thema um die Ecke, das sich mit der NS-Geschichte beschäftigt. Schnell könnte zum Argument gegriffen werden, dass doch endlich Schluss sein muss mit der Geschichte, immer kommt die Keule mit der „Schuld“. Darum geht es natürlich nicht, denn wir können für das damalige Geschehen nicht schuldig sein. Ich wüsste nicht, wie das gehen sollte, jedenfalls bin ich nicht über 100. Dennoch meine ich, dass man aus Verantwortung für unsere Zukunft und Zusammenleben heute an das Geschehen in der NS-Zeit erinnern sollte. Der Blick zurück ändert nicht das Geschehen, aber es kann unser Handeln oder Verhalten mit Blick auf die Zukunft verändern. Wir gestalten unser Leben, weil wir Wissen anwenden können.
Dolmar wurde 1930 gegründet, um Motorsägen zu produzieren
Die Dolmar Maschinenfabrik wurde 1930 gegründet und produzierte vor allem Motorsägen der Marke „Dolmar“ (seit 1991 Teil von MAKITA, einem japanischen Werkzeughersteller). Mit Beginn des 2. Weltkrieges wurde Dolmar zum Rüstungsunternehmen. 1940/41 setzte es französische Zwangsarbeiter im Unternehmen ein. Damals war der Standort in der Altonaer Waidmannstraße. Im Juli 1943 wurde das Gebäude zerstört und Dolmar zog in die Luruper Chaussee 125 (heute Eingang Wichmannstraße 4). Damals waren 250 Beschäftigte im Unternehmen.

32 Italienische Militärinternierte mussten seit Ende 1943 bei Dolmar arbeiten
Seit Ende 1943 mussten 32 italienische Militärinternierte (IMI) für Dolmar in der Luruper Chaussee 125 arbeiten. Sie mussten in einem Lager, direkt unter der Tribüne des Volksparkstadion, zusammen mit 110 Italienern leben. Das Lager wurde von der Wehrmacht bewacht. Sie wurden von dort zur Arbeit eskorcert und kamen abends wieder zurück.


Wer waren die italienischen Militärinternierten?
Bei den IMI handelte es sich um Italienische Soldaten, die ab dem 8.September 1943 von der Wehrmacht gefangen genommen wurden. Italien war aus dem Bündnis mit Deutschland ausgetreten und haee mit den Alliierten einen Waffenscllstand abgeschlossen. Über 650.000 italienische Soldaten weigerten sich, weiter an dee Seite des NS-Regime zu kämpfen. Sie wurden zu „Militärinternierten“ erklärt, um sich nicht an internaconal vereinbarte Konventionen halten zu müssen, die z.B. ein Verbot der Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen in Rüstungsbetrieben regelten. In Hamburg waren über 17.000 IMI als Zwangsarbeiter in mehr als 600 Hamburger Unternehmen.
Die Arbeitsbedingungen für die Zwangsarbeiter
Es gibt sehr wenige Erzählungen über die Arbeitsbedingungen der IMI in Hamburg. Es waren in erster Linie das Leben im Lager und im Betrieb. Die IMI erhielten unter dem Kommando der Wehrmacht keinen Lohn. Sie konnten vorgefertigte Postkarten nach Hause schicken, die zensiert wurden, so dass man hier nichts über die Arbeit erfahren konnte. Ihr Leben war durch Hunger bestimmt. Die Leitung von Dolmar war dem NS-Regime treu. Wenn die Zwangsarbeiter nach deren Meinung nicht spurten, gab es Schläge, wie der damalige Betriebsobmann, Ludwig Wolters, nach 1945 bestäcgte.
Einige Erinnerungen eines IMI von Dolmar
Der Gedanke an die Familie zu Hause spielte im Leben der IMI eine zentrale Rolle der Hoffnung. Giovanni Cavallone, einer der 32 Italiener bei Dolmar, schrieb in einem zensierten Briefen an seine Frau: „Arbeit, so bescheiden sie auch sein
mag, ist immer ein Stärkungsmieel, denn sie verhindert, dass sich der Geist in nutzlosen Träumen verliert. Alles nehme ich an und werde es annehmen, weil ich zu Dir zurückkehren möchte.“
Geschäftsführer von Dolmar war 1933 in die NSDAP eingetreten
Emil Lempe war 1933 gerade als GesellschaCer bei Dolmar eingescegen, als die NSDAP die staatliche Macht übernahm. Er trat sofort in die Partei ein. Nach dem Ende des Krieges und der Zerstörung Europas 1945 begründete er es mit
„geschäftlichen Gründen“. Er wollte von den Nazis proficeren. Aus 15.000 RM Jahresüberschuss 1933 wurden bis 1941 fast 300.000 RM, bis 1943 blieb es auf einem hohen Niveau, 1944 und 1945 wurden fast sechsstellige Ergebnisse erzielt.
Wer bei Dolmar nicht mit den Nazis marschierte, wurde denunziert, verfolgt oder kam ins KZ
Wer von den deutschen Beschäftigten im Unternehmen nicht mit den Nazis ging, bekam es auch zu spüren. Sie wurden bei der Gestapo denunziert, bestraC und verfolgt. Einzelne wurden auch ins KZ verschleppt, nicht alle überlebten. Über einen Fall möchte ich Ihnen noch kurz etwas erzählen.
Julius Ehling wurde Opfer der Denunzation der Betriebsleitung und starb im KZ Dachau
Julius Ehling wohnte in der Georgstraße (heute Mumsenstraße am Wohlerspark). Er war seit 1938 bei Dolmar beschäftigt und hatte ein Handicap. Da er wiederholt nicht zur Arbeit erschien, wurde er vom Unternehmen am 26. April 1941 beim Arbeitsamt denunziert. Es forderte geeignete Maßnahmen der Gestapo gegen ihn.

Am 25. Juni 1941 wurde er von der Polizei verhaftet. Einen Tag später erfolgte der HaCbefehl wegen „Arbeitsvertragsbruch“. Er kam erst ins Gefängnis Hütten, in der Hamburger Neustadt. Am 21. Oktober 1941 wurde er zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Am 26. Oktober 1941 wird er aus dem Gefängnis „entlassen“ und der Gestapo übergeben, die ihn in „Vorbeugehaft“ nahm. Sie bezeichnete ihn als „Berufsverbrecher“. Am 26. Dezember 1941 wurde er ins KZ Dachau überstellt und kam dort am 15. Mai 1942 ums Leben.

Die Dimension der Zwangsarbeit in Hamburg
Von 1939, dem Beginn des 2. Weltkrieges bis Mai 1945, wurden über 500.000 Zwangsarbeiter:innen in tausenden Betrieben Hamburgs eingesetzt. Sie waren damals für alle Hamburger im Alltag sichtbar. Sei es auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeit oder in den Betrieben.
Bevor z.B. das Unternehmen Vereinigte Deutsche Metallwerke (VDM) seine Produkcon vom Standort an der Luruper Chaussee 125/Wichmannstraße 4 in ein KZ-Außenlager 1944 verlegte, waren auch hier weitere IMI als Zwangsarbeiter im Werk eingesetzt wurden. Deren Lager war ebenfalls im Volkspark. Theodor Zeise war ebenfalls auf auf Gelände Kluckstraße/Ebertallee untergebracht und beschäftigte IMI. Auf der Trabrennbahn Bahrenfeld waren Zwangsarbeitslager von Concnentale und Conz. Die Zwangsarbeit war das offensichtlichste Verbrechen des NS-Regime. Heute spielt es in der Reflexion des damaligen Geschehens kaum eine Rolle.
Mehr über die italienische Militärinternierten erfahren Sie auf der Web-Seite https://imiinhamburg.wordpres