Heute habe ich eine Nachbarschafts-Info in der Groninger Vinkenstraat in die dortigen Briefkästen verteilt. Am 12. April 2025 soll ein Stolperstein für Johannes Geubels der Öffentlichkeit übergeben werden, seine Kinder werden daran teilnehmen.
Liebe Bewohnerinnen und Bewohner aus der Groninger Vinkenstraat,
Sie werden sich wundern, dass jemand aus der Hafenstadt Hamburg ein Schreiben in Ihre Postbox gesteckt hat und Ihnen diese Zeilen schreibt.
Um was geht es?
Vor der Vinkenstraat 6 liegt ein kleiner Messingstein, ein sogenannter Stolperstein, der an Johannes Hendrikus Geubels erinnert. Diese kleine Steine auf dem Gehweg sollen an Menschen erinnern, die Opfer der NS-Diktatur wurden. In Ihrer schönen Stadt gibt es 297 dieser Steine, die vor den damaligen Wohnadressen niederländischer Opfer des NS-Terror erinnern.

Was will ich von Ihnen?
Am 12. April 2025, 15 Uhr, möchte ich zusammen mit der Familie von Johannes Geubels den neuen Stolperstein vor der Vinkenstraat 6 öffentlich übergeben. Natürlich ist es Ihre Sache, ob Sie das Thema interessiert und Sie am 12. April 2025 mit dabei sind.
Wer war Johannes Geubels?
Er war am 13. März 1911 in Groningen geboren und wohnte damals mit seiner Frau Gretje und seinen drei kleinen Kindern, Heichinus, Johanna und Dirk in der Vinkenstraat 6. Er arbeitete als Drucker für die Druckerei Erven van de Kamp in der Sint Jansstraat in Ihrer Stadt.

Johannes wurde wegen seiner Widerstandsarbeit am 26. Februar 1945 in Groningen verhaftet. Sein Sohn erinnerte sich, dass sie ihm Kleidung ins Gefängnis brachten. “Auf dem Platz vor dem Gefängnis hört man Leute schreien.”
Mit ihm wurden acht weitere Mitarbeiter verhaftet. Er soll zur “Groep de Groot“ gehört haben. Sie war eine Widerstands- gruppe in Groningen um Gerrit Boekhoven (Pseudonym De Groot). Am 17. März 1945 wurde er von Groningen ins KZ Neuengamme deportiert. Es gibt eine Liste mit 104 Namen, auf der unter der “Nummer 8” der von Johannes Geubels steht. Von ihnen überlebten 44 Niederländer nicht das KZ Neuengamme.

Was mit ihm in Hamburg passiert, ist sehr schwer zu rekonstruieren. Ein Dokument spricht davon, dass er im Außenlager “Spaldingstraße” leben musste. Einige weitere Indizien sprechen davon, dass er nicht direkt im KZ Neuengamme leben musste. Das KZ lag am äußersten südlichen Rand der Stadt Hamburg, weit entfernt von Zentrum der Stadt (heute fahren sie 1 ½ Stunden vom Zentrum zur jetzigen Gedenkstätte). Ab Sommer 1944 wurden die meisten Gefangenen im KZ Neuengamme auf über 80 Außenlager verlegt, weil man ihre Arbeitskraft für die Kriegsproduktion und Trümmerbeseitigung in der Innenstadt Hamburgs brauchte.
Die Nazis begannen in Hamburg ab Anfang April 1945, das KZ Neuengamme und die Außenlager zu räumen und die Insassen in verschiedene zentrale Lager zu verlegen. Das Außenlager in der Hamburger Spaldingstraße wurde ab dem 12. April 1945 geräumt. Johannes Geubels wurde von dort in das Massenlager in Sandbostel bei Bremen verlegt, das am 29. April 1945 von der britischen Armee befreit wurde. Er starb am 31. Mai 1945 im Krankenhaus in Rotenburg/Wümme. Insgesamt starben in Sandbostel und dem Krankenhaus Rotenburg 3.000 Menschen an den körperlichen Auszehrungen, Krankheiten und Misshandlungen.
Warum ein Stolperstein?
Es ist eine Form der Erinnerung an die NS-Opfer. In dem Viertel, wo ich in Hamburg lebe, gibt es in jeder Straße Stolpersteine, auch in meiner Wohnstraße. Sie erinnern vor allem an die jüdischen Menschen, die hier einst wohnten und von den Nazi verfolgt und später ermordet wurden.

Sie erinnern aber auch Kommunisten oder Sozialdemokraten, Homosexuelle, Christen oder Menschen, die von Deutschen denunziert und ermordet wurden. Schlimmer noch, sie wurden beschimpft und bei den jüdischen Menschen waren es die eigenen Nachbarn, die ihnen den Hausstand raubten. Manch einer von ihnen nahm sich aus Verzweiflung das Leben. Der Gedanke, dass sie in meiner Wohnstraße lebten und ihnen in der NS-Zeit niemand ihnen zur Seite stand, macht mich betroffen.
Um was geht es mir?
Aus meiner Perspektive: Wenn ich mir vor Augen führen, dass zum Beispiel im KZ Neuengamme (Hamburg) von über den über 7.000 Niederländerinnen und Niederländern fast die Hälfte ums Leben kam, dann ist das ein furchtbarer Gedanke, was Deutsche Niederländern angetan haben. Auch wenn wir heute keine Schuld tragen, bleibt unsere Verantwortung, daran als Deutsche zu erinnern. Auf einer Kundgebung vor einem der KZ Außenlager im vergangenen Jahr im Hamburger Hafen, wo wir an niederländische Opfer aus dem KZ Neuengamme aus Groningen erinnerten, hatten wir uns als Teilnehmer dafür auszusprechen, einen Stolperstein für einen Groninger zu übernehmen.
Ich hoffe, Sie haben die Informationen interessiert und danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht sehen wir uns am 12. April 2025 um 15 Uhr vor der Vinkenstraat 6.

