Am 12. April 2025 wird eine Stolperschwelle vor der Spaldingstraße 162 der Öffentlichkeit übergeben. Die Patenschaft für die Schwelle hatten wir über die „Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg“ initiiert, die Stadtreinigung hat die Finanzierung übernommen. In Abstimmung mit Vertretern:innen der Hamburger Stolperstein-Gruppe und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme entstand der Aufruf. Um die Unterstützer:innen habe ich mich sehr gefreut wie den Tenor des Textes.
Eine Stolperschwelle erinnert künftig an die über 800 Menschen, denen im damaligen KZ-Außenlager in der Spaldingstraße das Leben genommen wurde. Mit der Stolperschwelle wird die Erinnerung an die Opfer des KZ-Außenlagers stärker ins Blickfeld gerückt. Die Menschen im Stadtteil werden angeregt, sich mit der Geschichte in ihrer Umgebung auseinanderzusetzen.
In der Spaldingstraße Nr. 156 bis 162 in Hammerbrook befand sich ab etwa 1910 die St.Georgsburg, ein riesiger Lager- und Kontorhauskomplex. Im Gebäude hatten auch die Zigarrenfabrik von Eduard Wolff, die Herren-Wäsche-Fabrik Wegner & Co. und die Conrad Gumpert Bäckereiprodukte ihren Sitz. Die Eigentümer wurden während der NS-Zeit aus ihren Unternehmen verdrängt und um ihr Leben gebracht, weil sie Juden waren.
Die schweren Luftangriffe auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 („Operation Gomorrha“) beschädigten den Gebäudekomplex St. Georgsburg schwer. Das achtstöckige Hinterhaus war jedoch intakt geblieben. Dort befand sich seit Oktober 1944 das Außenlager Spaldingstraße des Konzentrationslagers Neuengamme.
Hamburg war Standort vieler Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme, darunter in Rothenburgsort, Sasel, Neugraben, Eidelstedt, Langenhorn, bei Blohm & Voss und der Deutschen Werft. Insgesamt gab es in Hamburg mindestens 15 Außenlager. Ab Mitte 1944 waren die Außenlager zentraler Bestandteil des KZ Neuengamme. Die Häftlinge, Männer und Frauen, waren aus vielen Ländern nach Deutschland verschleppt oder schon seit langem in Konzentrationslagern willkürlich festgehalten und misshandelt worden. Sie kamen aus der Sowjetunion, Polen, Belgien, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden, Griechenland, Jugoslawien und Italien, unter ihnen jüdische Menschen sowie Sinti und Roma. Sie mussten Zwangsarbeit leisten bei der Trümmerbeseitigung – wie in der Spaldingstraße ab Oktober 1944 –, in der Rüstungsproduktion, in der Mineralölwirtschaft oder in vielen anderen Hamburger Unternehmen. Anfang 1945 befanden sich in den Außenlagern etwa 40.000 Inhaftierte – dreimal so viele wie im Stammlager in Neuengamme selbst.
In den Außenlagern herrschten katastrophale sanitäre Bedingungen. Die Häftlinge wurden völlig unzureichend verpflegt, kaum vor Kälte und Nässe geschützt und den Schikanen des Wachpersonals ausgesetzt. Das Außenlager in der Spaldingstraße, in dem etwa 2000 Menschen eingekerkert waren, wies die höchste Sterblichkeitsrate aller Hamburger Außenlager mit mindestens 800 Toten auf.
Am 3. Mai 1945 wurde Hamburg von der britischen Armee befreit. Damit endete auch für die Inhaftierten das NS-Terrorregime.
Die Stolperschwelle erinnert an alle Opfer, die an diesem furchtbaren Ort zu Tode kamen, ohne einzelne Namen zu nennen. An einzelne vom NS-Staat ermordete Menschen erinnern Stolpersteine in vielen Orten in Europa. Diese Erinnerungssteine greifen deren jeweiliges Verfolgungsschicksal – auch der Inhaftierten in der Spaldingstraße – auf.
Heute ist das Gebiet um die Spaldingstraße von gewerblicher Nutzung geprägt. Gäste unserer Stadt und Menschen, die hier arbeiten, sollen angeregt werden, über die verheerenden Folgen von Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz nachzudenken. Wir hoffen, dass sie dabei der Opfer, der Überlebenden und der Befreier gedenken und dass durch dieses mitfühlende Gedenken die heutige Gesellschaft gestärkt wird – gegen Intoleranz, Hass und Hetze.
Zur Stolperschwellen-Velegung rufen auf: Ingo Wille, Stolpersteine-Hamburg;* Holger Artus, Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg; Günter Westphal, Stadtteilinitiative Münzviertel; Benjamin Adrion, Villa Viva im Münzviertel; Jonas Mannherz, Kunstverein Gastgarten; Nicole Matern, Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm; Markus Fiedler, Initiative Dessauer Ufer; Wolfgang Kopitzsch, Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten; Oliver Sträter, SPD-Fraktionsvorsitzender Hamburg-Mitte; Theresa Rothberg, Manuel Muja, Fraktionsvorsitzende Grüne Hamburg-Mitte; Nora Stärz, Marinus Stehmeier, Fraktionsvorsitzende LINKE Hamburg-Mitte; Jacob Schoo, Fraktionsvorsitzender VOLT Hamburg-Mitte;*in Kooperation mit der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte /SHGL).