Diese Info habe ich heute in der Vereinsstraße 18/20 verteilt. Laura, Martin und Emilie R. wurden am 9. Nov. 1944 in der Frauenklinik des AK Altona zwangssterilisiert. Sie lebten vorher in der Vereinsstraße 18, zusammen mit ihrer Mutter und Großeltern.
Laura R. war meint erster Kontakt mit dem Thema bei uns im Viertel vor zwei Jahren. Seit dem wollte ich etwas dazu machen, was nicht leicht war und ist. Mit der Kundgebung am 11. November 2024 um 17 Uhr in der Bülowstraße 9 soll an die Betroffenen erinnert werden.
Liebe Nachbar:innen*, die drei Namen werden Ihnen auf Anhieb nichts sagen, aber sie wohnten von 1940 bis 1944 in der Vereinsstraße 18, ihrer heutigen Wohnadresse. Sie waren die Kinder von Anna R. Ihre Eltern lebten hier seit 1924 in dem eingeschossigen Flachbau am Platz. 1940 zog Anna mit ihren Kindern zu ihnen in die Vereinsstraße 18.
Worum geht es?
Laura (geboren am 6. Oktober 1930), Emilie (geboren am 2. November 1923) und Martin R. (geboren am 25. März 1929) wurden am 8. November 1944 von der Kriminalpolizei abgeholt und in die Frauenklinik des AK Altona gebracht. Am 9. November 1944 wurden die drei von Dr. Wirths, einem Arzt, der im KZ Auschwitz Häftlinge misshandelt hatte, zwangssterilisiert.
Dafür gab es keinen Beschluss. Laut Unterlagen soll Hamburgs Gesundheitssenator Ofterdingen im August 1944 beim Ärztlichen Direktor der Frauenklinik des AK Altona, Hinselmann (ebenfalls ein Arzt aus dem KZ Auschwitz), angerufen und ihm mitgeteilt haben, dass demnächst einige Sinti und Roma in seine Klinik kämen, die sterilisiert werden sollten. Eigentlich war ihnen ein Aufenthalt in einem staatlichen Krankenhaus verboten.
Warum wurden die Sinti und Roma deportiert?
Ab Mai 1940 wurden die in Hamburg lebenden Sinti und Roma über den Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity) in den Osten deportiert. In der ersten Deportation waren es fast 1.000 Menschen. Zwei weitere Deportationen aus Hamburg ins KZ Auschwitz folgten im März 1943 und April 1944. Die nationalsozialistische Ideologie wollte die Fortexistenz dieser Menschen verhindern, da man glaubte, ihr „Blut“ könne den „Eigenschaften des deutschen Blutes“ schaden. Diese grausame Ideologie fand Millionen Anhänger.
Warum wurde die Familie von Anna Rosenberg aus der Vereinsstraße 18 nicht deportiert?
Nicht deportiert wurden Sinti und Roma, die mit einer Person aus der damaligen Mehrheitsgesellschaft verheiratet waren oder in deren elterlicher Familie es eine solche „Beziehung“ gab. Die rassistische „Blut-Lehre“, die entschied, welches „Blut“ dem „deutschen Blut“ schade, wurde in pseudowissenschaftliche Kategorien eingeteilt. Mir sträuben sich die Nackenhaare angesichts so viel Dummheit. Die Nationalsozialisten verfolgten das Ziel, auch diese Menschengruppe vollständig zu vernichten. Die Zwangssterilisation war ihr Weg. Kinder bis 12 Jahre wurden damals körperlich misshandelt. Die Eltern mussten für die Kinder unter 12 unterschreiben, dass die Zwangssterilisation mit dem 12. Lebensjahr erfolgen könne. Wer sich weigerte, wurde mit Inhaftierung im KZ bedroht. Verantwortlich für die Organisation der Deportation und Sterilisationen war die Hamburger Kriminalpolizei.
Was möchte ich von Ihnen?
Ich möchte Sie einmal über die ehemaligen Nachbarn und Opfer des NS-Systems informieren. Es ist nun 80 Jahre her. Am 11. November 2024 findet um 17 Uhr vor der ehemaligen Frauenklinik des AK Altona in der Bülowstraße eine Kundgebung statt. Wir wollen an diese Menschen erinnern. Von November 1944 bis Februar 1945 wurden insgesamt 13 Sinti und Roma zwangssterilisiert. Es war der Beginn einer Kampagne; nach dem „Endsieg“ sollten weitere Menschen ins Krankenhaus eingewiesen werden. Sieben der 13 Misshandelten gehörten zur Familie Lutz, die seit 1924 in der Vereinsstraße 18 lebte. Zum Zeitpunkt des Abtransports ins Krankenhaus wohnten sie in der Thadenstraße 79.
Vielleicht sehen wir uns in der Bülowstraße? Ansonsten danke ich Ihnen für Ihr Interesse.