Das Schicksal von Maria B. als eine der misshandelten Sinti und Roma in der Frauenklinik des AK Altona im November 1944 schmerzt. Glaubt man den Unterlagen, war sie körperlich am stärksten betroffen, wenn man das als Kriterium einbringen darf, ohne damit den andern Opfer ihre Leiden zu nehmen, zu bestreiten oder dagegen zustellen. Es schmerzt aber auch, weil man ihr bei den verschiedenen Rechtsansprüchen permanent von staatlicher Seite bis zum Rentenantrag Hürden in den Weg legte und dabei rassistische Motive offen vortrug.
Ihr Sohn hat mich begeistert, da er als 16-jähriger Sinto 1942 mit anderen jugendlichen Nicht-Sinto organisierten Widerstand gegen die HJ leiste. Wenn es nach mir ginge, müsste man seine Geschichte erzählen und mehr machen. Vorgeschlagen habe ich es.
Eine der misshandelten Personen in der Frauenklinik des AK Altona war Maria B. Sie wurde am 15. Juli 1903 in Köttingen bei Köln geboren. Ihr Vater war Jude, ihre Mutter Sintizza. Maria war mit einem Nicht-Sinto, Hermann B. verheiratet. Vor der Ehe arbeitete sie in einer Fabrik in Hamburg. Das Paar hatte einen Sohn, Franz, der am 17. Juli 1926 geboren wurde. Hermann war bei den HEW beschäftigt.
Wer organisierte die Zwangssterilisation?
Im August 1944 hatte der Gesundheitssenator Ofterdinger der Frauenklinik des AK Altona die geplanten Zwangssterilisationen informiert. Die gesamte Organisation lag bei der Kriminalpolizei, die mit der damaligen Sozial- und Gesundheitsbehörde kooperierte, da die Behandlung von Sinti und Roma in staatlichen Krankenhäusern verboten war.
Am 15. November 1944 sterilisiert
Am 14. November 1944 wurde Maria B. auf Befehl der Kriminalpolizei in die Frauenklinik des AK Altona gebracht und am 15. November 1944 von zwei Ärzten zwangssterilisiert. Drei Tage nach der Operation erlitt Maria eine doppelseitige Lungenentzündung, die sie so schwer belastete, dass sie nie wieder arbeiten konnte. Als Sintizza durfte sie während der Luftangriffe nicht in den Luftschutzkeller der Frauenklinik, sondern musste im feuchten Bettenkeller der Frauenklinik bleiben. Nach 20 Tagen wurde sie entlassen.
Warum wurden die Menschen sterilisiert?
Sie lebten in Ehen, in denen ein Partner:in aus der Mehrheitsgesellschaft kam, weshalb sie in der Regel nicht deportiert worden waren (1940, 1943, 1944). Die Nationalsozialisten verfolgten jedoch das Ziel, die Sinti und Roma – wie auch die jüdische Bevölkerung – vollständig zu vernichten. Ihre Fortexistenz sollte verhindert werden, da man glaubte, ihr „Blut“ könne die „Eigenschaften des deutschen Blutes“ beeinträchtigen. Diese grausame Ideologie hatte Millionen Anhänger.
Menschenrechtsverletzungen nach 1945
Nach 1945 musste Maria B. um ihre Rechte kämpfen. Die Akten zur „Wiedergutmachung“ jüdischer Menschen sind schon schwer zu ertragen, aber die Akten der Sinti und Roma zeigen eine zusätzliche Ebene von Rassismus, die einen tief erschüttert, dass Menschen nach 1945 so etwas als Staatsbeschäftigten schreiben durften Dies führte für die Betroffenen auch nach 1945 zu erheblichen finanziellen Schaden.
Zwei Beispiele des rassistischen Wirkens von Verantwortlichen der damaligen Sozialbehörde Hamburgs.
Als Maria den Nachweis ihrer Sterilisation im Wiedergutmachungsverfahren erbrachte, wurde behauptet, dies sage nichts darüber aus, „dass die Sterilisation aufgrund ihrer Abstammung erfolgte.“ 1954 schrieb ein Beamter: „Es fehlt bislang jede Erläuterung für die Gründe, die hierfür maßgeblich gewesen sein könnten. Es ist weder erwiesen, dass Ihre Mandantin Zigeuner-Mischling ist, noch könnte allein daraus geschlossen werden, dass die Operation deshalb erfolgte.“
Ein Beamter der Sozialbehörde versuchte, Maria ihren Ausweis als Verfolgte zu entziehen, weil ihr Sohn seit 1943 im Gefängnis saß. Er versuchte es mit einer Penetranz, die auffällig war. Wäre Franz B. kein Sinto, trüge vielleicht heute eine Straße oder ein Platz seinen Namen. Als 16-Jähriger widersetzte er sich in Hamburg einer Gruppe der HJ so stark, dass die Kriminalpolizei die Verfolgung der Jugendlichen übernahm.
Am 11. November 2024 findet um 17 Uhr eine Kundgebung vor der Bülowstraße (Altona) statt, um an 12 Sinti und Roma sowie eine Person of Color zu erinnern, die zwischen November 1944 und Februar 1945 in der Frauenklinik des AK Altona ohne rechtliche Grundlage zwangssterilisiert wurden. Vielleicht sehen wir uns an diesem Tag.*
*Diese Informationen stammen aus einer Einladung