Am 8. November 1944 bewegte sich der Hamburger Kriminalbeamte, Paul Everding, von seiner Dienststelle am Dammtorwall zur Sozialverwaltung der Stadt Hamburg ins Bieberhaus am Hamburger Hauptbahnhof. Hier sprach er mit den Herren Over und Happersberg. Im Anschluss wurde der Inhalt der Besprechung nochmals schriftlich festgehalten: Bei der Zwangssterilisation von Sintizza, deren Kinder im Alter von bis zu 14 bis 16 Jahren sind, sollte die Unterbringung dieser Kinder für die Dauer von 14 Tagen – so lange war der Krankenhausaufenthalt in der Frauenklinik des Allgemeinen Krankenhauses Altona geplant – im Versorgungsheim Farmsen erfolgen.
Mit der „Unfruchtbarmachung“ wird jetzt in Hamburg begonnen
Der Grund, warum es zu dieser Besprechung gekommen war, wird ebenfalls erwähnt: „… mit der Unfruchtbarmachung begonnen worden.“
Chefarzt der Frauenklinik wird von Gesundheitssenator angerufen
Der Chefarzt der Frauenklinik und Leiter der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie am Allgemeinen Krankenhaus Altona, Prof. Dr. Hinselmann, wurde im November 1944 persönlich durch den Gesundheitssenator Ofterdinger über die beginnende Aktion der Kriminalpolizei telefonisch unterrichtet.
Am 8. November 1944 holte die Kripo Kurt L. in seiner Hamburger Wohnung in der Thadenstraße 79 ab und brachte ihn in die Frauenklinik Altona. Everding selbst fuhr an diesem Tag nach Celle, um Laura, Emilie und Martin R. abzuholen. Kurt L. hatte zu diesem Zeitpunkt vier Kinder, von denen seine Tocher Sonja L. eine Woche später körperlich misshandelt wurde. Die anderen drei Kinder waren 1, 2 und 8 Jahre alt. Bei Laura, Emilie und Martin R. blieb ihre Mutter alleine zurück. Ihr viertes Kind, Willi R., war bereits 1943 in Hadamar ermordet worden.
Meta B. , die am 14. November 1944 von der Kriminalpolzei ins die Frauenklinik gebracht wurde, wohnte zum Zeitpunkt ihrer Zwangssterilisation (15. November 1944) mit ihren Kindern in der Königstraße 27, Haus 1, in der Hamburger Innenstadt (Gängeviertel). Sie hatte neun Kinder. Ihr Mann war seit 1939 Soldat. Ob ihre Kinder in das Versorgungsheim Farmsen kamen, geht aus den vorliegenden Dokumenten nicht hervor.
Bei den Verstümmelungen der 13 Menschen wurde in der Krankenakte auf einen Erlass des Reichsinnenministeriums vom 26. Juli 1943 (IVb 1606 IV/43) verwiesen. Die Hamburger Kriminalbeamten dokumentierten außerdem ihren Tagesbefehl.
Am Beispiel von Christian S., der zu den Zwangssterilisierten aus der Frauenklinik gehörte, wurde sichtbar, dass die Nazis bei nach dem „Endsieg“ ihre Vernichtungsstrategie aller Roma und Sinti fortsetzen wollten.
„Auschwitz-Erlass“ von Himmler
Die Zwangssterilisationen ab 1943 beruhten auf dem „Auschwitz-Erlass“ von Himmler aus dem Dezember 1942. Wer bereits mit Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft verheiratet, wurde zur Sterilisation gezwungen. In vielen Orten Deutschlands wie Bremen, Hannover, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Freiburg, Karlsruhe, Königsberg, München, Oldenburg, Passau, Schneidemühl, Stettin und Würzburg begannen die Kampagnen nach den Deportationen der Sinti und Roma nach Auschwitz im März 1943. Eine Gesamtzahl 1943 – 1945 in Deutschland ist nicht bekannt. Historiker gehen von über 2.500 Menschen aus.