Bis zur Kundgebung am 13. März 2023 vor der Ganztagsgrundschule Sternschanze, um an die Deportation der Sinti und Roma vom 11. März 1943 zu erinnern, werde ich zu einzelnen NS-Opfer dieser Deportation an deren damaligen Lebensorten Nachbarschafts-Infos verteilen, um die heutigen über ihre damaligen Mieiter:innen zu informieren. Weil meine erste Recherche zur Familie Hartmann im Grützmachergang war, habe ich heute eine Info dort verteilt.
Den Grützmachergang gibt es seit den 1980er Jahre nicht nicht im Hamburger Stadtteil Str. Georg mehr. Bis dahin lag er zwischen der Rostocker Straße und der Revaler Straße. Der Eingang zu den Häusern in der Stiftstraße 10 – 16 auf Höhe des Friedensstein war der ehemalige zum damaligen Grützmachergang. Ich wohnte in den 1970/1980 Jahre in der Rostocker Straße 27 und erinnere mich an die Fläche bzw. einzelne Häuser und deren Zustand.
Mit dem Bebauungsplanung von 1977 und den dann erstellten Neubauten verschwand der Grützmachergang. In einem Bebauungsplan von 1955 kann man etwas den Eindruck von der sehr kargen Bebauung nach der Zerstörung gewinnen. Vor 1943 waren hier viele Häuser, die Hausnummern gingen von 1 – 46. Hinter den Häusern 26/28 und 32 waren noch vierstöckige Gebäude.
Wer wohnte in Ihrer Nachbarschaft?
Im Grützmachergang 44 wohnten Hugo (geb. 26. November 1898), Regina (geb. 30. Mai 1890) und ihre Tochter, Frieda Rose (geb. 18. April 1929) bis zur deren Inhaftierung am 16. Mai 1940 im Fruchtschuppen C im Hamburger Hafen. Deportiert wurden sie am 20. Mai 1940. Ihr Hab und Gut musste sie an diesem Tag komplett zurücklassen, die Wohnung wurde versiegelt. Vom zuständigen “Revierwachtmeister” wurde das Mietverhältnis beim Vermieter gekündigt. Das Hamburger Amtsgericht bestellte eine so genannte Pflegschaft: “In der Pflegesache Hugo Rose sind Hausstandsachen, sowie einige Schmuckstände, alte Münzen … vorgefunden. Die Münzen sind der Reichsbank unentgeltlich überlassen, der Hausstand ist öffentlich versteigert.” Bei Hugo Rose wohnte seit April 1939 u.a. auch Fritz Strauss (geb. 12. März 1925), der ebenfalls am 20. Mai 1940 über den Hannoverschen Bahnhof deportiert wurde.
Im Grützmachergang 33 wohnten Anna Hartmann (geb. 2 Februar 1895) und Erwin Brandt (geb. 19. September 1902) mit ihren Kindern. Im 1. Stock hatten sie eine 3-Zimmer-Wohnung mit Küche. Die Kinder gingen in die katholische Schule in der Danziger Straße 60 bzw. die Schule Bülaustraße 38 (Lohmühlenpark). Sie waren bereits zum 16. Mai 1940 im Fruchtschuppen C im Hamburger Hafen inhaftiert worden, konnten sich aber dem Transport entziehen und waren am 24. Mai 1940 wieder in ihrer Wohnung. Anna und Erwin hatten neun Kinder, von denen Sophie und Margot überlebten. Hugo (geb. 14. August 1922) wurde am 26. Juni 1942 ins KZ Sachsenhausen, Margot (geb. 3. September 1923) am 6. August 1942 ins KZ Ravensbrück verschleppt. Sophie (geb. 13. Januar 1926) war seit dem 26. Juni 1942 im Gefängnis Hütten (Hamburg-Neustadt) inhaftiert und von dort ins KZ Ravensbrück verlegt. Am 11. März 1943 wurden Helene (geb. 31. Dezember 1924), Walter (11. Januar 1928), Fritz (geb. 5. März 1930) Heino (geb. 4. Mai 1932), Wilhelm (geb. 19. Januar 1935), Adolphine (geb. 29. April) und ihre Mutter Anna nach Auschwitz, Erwin Brandt am 19. April 1943 über Berlin nach Auschwitz deportiert. Sie wurden ermordet. Zum Zeitpunkt der März-Deportation von 1943 lebte auch Robert Wuchinger (geboren am 6. Juli 1906 ) bei den Hartmanns. Seine Eltern und Geschwister waren im Mai 1940 bereits alle nach Belzec verschleppt worden. Er wurde am 18. November 1943 in Auschwitz ermordet.
Der Steindamm befindet sich gewissermaßen in Ihrer unmittelbaren Nähe. Im Steindamm 146 (heute Motel One) wohnte 1943 Berta Pohl mit ihren beiden kleinen Kindern Sylvia und Manfred im Hinterhof, im Haus 12. Die Pohls wurden auch am 11. März 1943 deportiert. Manfred wurde am 5. April, Sylvia am 15. April 1943, und Bertha am 31. März 1944 in Auschwitz ermordet.
Wieso schreibe ich Ihnen?
Am Montag, den 13. März 2023 findet um 18 Uhr am Eingang der Ganztagsgrundschule Sternschanze auf Höhe der Altonaer Straße eine Kundgebung statt, um an die Sinti und Roma zu erinnern. Ich wohne in dem Viertel und engagiere mich in der Erinnerungskultur. Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Information ermutigen könnte, daran teilzunehmen. In jedem Fall freue ich mich über Interesse und Aufmerksamkeit.