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Holger Artus

Über die Belmontes aus der Schäferkampsallee 11

Über die Belmontes aus der Schäferkampsallee 11 bzw. dem Eppendorfer Weg 62 gibt es eine umfassende Erzählung auf der Web-Seite der Hamburger Stolperstein. Auf die habe ich mich im dieser Info bezogen, die ich in die Briefkästen der Schäferkampsallee verteilt hatte.

Ich hatte mir nur überlegt, wie eine Erzählung zu unseren 9. November-Aktivitäten im Wohngebiet aussehen könnte, so dass ich der Nachbarschaft etwas neues erzähle und darüber versuche, auf die Kundgebung am 9. November 2022 hinzuweisen. Ich bin mir bewusst, dass interessiert gelesen werden könnte, aber Teilnahme ergibt sich nicht daraus. Vor der Schäferkampsallee 11 liegen Stolpersteine für die Familie Wagner, darüber hatte ich vor einigen Jahren die Nachbarschaft informiert. Das hier auch Michael, Alfred und Paul Belmonte sowie Bertha Simon in der NS-Zeit wohnten, dass war noch nicht erzählt.

Vor der Schäferkampsallee 11 liegen vier Stolpersteine, die an Ilse, Johanna, Golda und Salomon Wagner erinnern. Alle vier waren jüdischer Konfession und wurden 1943 ermordet. Sie waren nicht die einzigen jüdischen Mieterinnen und Mieter in der Schäferkampsallee 11, die den Holocaust nicht überlebten

Was will ich von Ihnen?

Am Abend des 9. November 1938 brannten die meisten Synagogen in Hamburg. An den Folgetagen wurden in Hamburg rund 900 jüdische Männer festgenommen. Die wenigen jüdischen Geschäfte wurden zertrümmert, so zum Beispiel das Zigarrengeschäft von Ivan Andrade in der Bellealliancestraße 66. Er wurde von der Polizei im Mannschaftswagen ins Polizeirevier in der Bundesstraße 96 mitgenommen. Auf seiner Fahrt hielt er auch vor der Schäferkampsallee 11. Salomon Wagner aus dem Erdgeschoss sowie Alfred und Paul Belmonte aus dem 1. Stock wurden mit auf die Wache verschleppt. Die meisten Männer wurden wenig später in KZ Sachsenhausen gebracht und kamen einige Monate später frei, nachdem sie erklärt hatten, dass sie aus Deutschland ausreisen wollen.So floh Salomon Wagner mit seiner Familie in die Niederlande. Die Belmontes konnten es nicht mehr, obwohl sie einen Ausreiseantrag gestellt hatten.

Jährlich erinnern wir als Wohngebiets-Initiative an die verbrecherischen Novemberpogrome gegen unsere jüdischen Nachbarn. Deutschlandweit wird an diese „Reichskristall-Nacht“ erinnert. Sichtbarste Zeichen sind Kerzen an Stolpersteinen. Auch wir laden zu einer Kundgebung am Mittwoch, den 9. November 2022 um 18 Uhr im Haupteingang der Ganztagsgrundschule Sternschanzen, Altona Straße 38, ein.

Was kann man über die Belmontes aus der Schäferkampsallee 11 erzählen?

1934 war die Familie Belmonte von der Schanzenstraße 62 in das „Barbarossa-Haus“ in der Schäferkampsallee gezogen. Es war ein vierstöckiges Gebäude und hatte links und rechts vom Hausflur jeweils 6 ½- bzw. 7-Zimmer-Wohnungen. Unter der Adresse Schäferkampsallee 11 wohnte die Familie: Michael Belmonte mit seinen Söhnen Salomon, Paul und Alfred sowie der Haushälterin der Familie, Bertha Simon. Michael Belmonte war Inhaber einer Bank am Jungfernstieg 30, Paul und Alfred hatten ein Bankgeschäft Neuer Wall 52. Sie gehörten zur portugiesisch-jüdischen Gemeinde in Hamburg. Deren Synagoge befand sich in der Innocentiastraße 37, nahe Hallerstraße. Jenny Belmonte zog nach der Trennung von Michael, mit ihrem Sohn Gustav, in den Eppendorfer Weg 62. Willibald, ein weiterer Sohn, hatte bereits eine eigene Wohnung.

Was wurde aus den Belmontes?

Die siebenköpfige Familie Belmonte überlebte den Holocaust nicht. Paul, Alfred und Simon wurden am 29./30. April 1939 im Zuchthaus Fuhlsbüttel totgeprügelt. Am 1. Mai 1939 starb Michael im Alter von 83 Jahren im Israelitischen Krankenhaus – möglicherweise infolge eines Selbstmordversuches. Jenny und Gustav wurden am 19. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße – wo am 9. November unsere Kundgebung stattfinden wird – nach Theresienstadt/Terezin in der CSR deportiert und ermordet. Ihre Namen stehen auf der Tafel, die an die an die 1.700 deportierten jüdischen Menschen vom 15. und 19. Juli 1942 bei der Ganztagsgrundschule Sternschanze erinnert. 

Die Wohnstationen von Bertha Simon konnte ich nach der Ermordung der drei Belmonte-Söhne noch nicht vollständig ermitteln. Sie wurde am 10. März 1943 nach Theresienstadt verschleppt und dort ebenfalls ermordet. Sie wohnte zuvor Zeitpunkt in der Schäferkampsallee 25/27, in einem so genannten Judenhaus.

Das waren Massenunterkünfte für jüdische Menschen, später sagte man auch „kleine Gettos“ dazu. Über diese Zwangsunter-künfte organisierten die Nazis zusammen mit der Polizei die Deportationen in die Vernichtungslager, KZs oder in Gettos außerhalb Deutschlands. 

Weitere Infos finden Sie auf der Web-Seite www.sternschanze1942.de

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