Ansichten

Holger Artus

Mit Absichtlichkeit die Gewerkschaftsbewegung vorführen?

Die Mehrheit des Hamburger Forums verfolgt die Strategie, mit so genannten Querdenker-Strukturen in Hamburg zusammen zu arbeiten. Begründet wird es damit, dass sie keine Nazis sein. „Angesicht der gesellschaftlichen Verhältnisse sind viele Menschen verwirrt. Damit sie nicht bei Nazis, Rechtspopulisten, völkischen Demagogen usw. landen, würde ich mit ihnen diskutieren, also vorausgesetzt sie sind dazu fähig und bereit.” Dieses „mit ihnen diskutieren“ ist praktisch der vermeintliche Freifahrt-Schein geworden, eine politische „Zusammenarbeit mit jemanden“ zu praktizieren, der eher nicht verwirrt und dazu bereit ist.

Bereits im Februar 2022 fanden sich Organistoren von „Querdenker“-Demo, Jourfix-Vertreter (Verwirrte) und Mitglieder des Hamburger Forums in einer Versammlung zusammen, so der Twitter-Account Antira Info Hamburg. Im Zusammenhang mit der abgesagten Kundgebung vom 22. Oktober 2022 von der „Plattform …“ und der Neuanmeldung offenbar durch das Hamburger Forum, hatte Antira geschrieben, dass in dieser Plattform u.a. das Hamburger Forum und „Querdenker“ Strukturen zusammenarbeiten, was mehr wäre als gemeinsame Diskussionen.

Vertreter des Hamburger Forum bemühen sich, im Rahmen ihrer Mitarbeit in Strukturen der Gewerkschaftsbewegung um ein engagiertes Ansehen. Wenn ich mir das faktische Verhalten und die Aussagen in diesem Zusammenhang in den letzten Wochen ansehe/anhöre, habe ich den Eindruck gewonnen, dass das Motiv dabei die Absicht ist, die Gewerkschaften in deren Positionen z.B. zum Krieg gegen die Ukraine zu „entlarven“.

Der DGB Hamburg organisierte am 8. Oktober 2022 eine Kundgebung um 11:55 vor dem Gewerkschaftshaus wie bereits am 1. September zum Anti-Kriegstag. Um 13 Uhr fand im Abschluss eine Demo eines Mieterbündnisses anlässlich eines bundesweiten Aktionstages statt. Der DGB stellte in einem Aufruf seine Forderungen dar, weshalb man zum Gewerkschaftshaus kommen sollte. Die Gewerkschaften riefen auch zur Kundgebung des Mieter-Bündnisses im Anschluss auf.

Einige Tage vorher erreichte mich dazu eine Mail: “… am kommenden Samstag treffen sich Aktive des Hamburger Forums um 11.30 Uhr vor dem Gewerkschaftshaus am „Raketenmobil“. Wir möchten das im DGB-Aufruf beschwiegene Thema der deutschen Kriegsbeteiligung und Hochrüstung mit den Folgen des Wirtschaftskrieges auch gegen die eigene Bevölkerung sichtbar machen, damit unsere verbindende Forderung Abrüsten statt Aufrüsten nicht unter die Panzerkette gerät.” Am Tag der DGB-Kundgebung schreibt das HF auf seiner Facebook-Seite noch einmal, warum man mit dem “Raketenmobil” bereits vorher am Kundgebungsort sein will. Es ginge um die angeblich “beschwiegenen“ (was auch immer für ein Wirrsinn hier gemeint sei) Themen des DGB.

Es ist eine Unverschämtheit, weil es nicht der Wahrheit entspricht und wider besserem Wissen. Der DGB hat klare Positionen zu den vom Hamburger Forum angesprochenen Themen. Was es gibt, sind unterschiedlichen Meinungen.

Die Methode, etwas falsches über die DGB-Forderungen zu behaupten, um es dann gleich in den Zusammenhang mit der „deutschen Kriegsbeteiligung“ zu stellen, ist ein billiger Täuschungsversuch. Wenn auch nicht geschrieben, die Absicht scheint mir zu sein, dass der Eindruck vermittelt werden soll, das der DGB die Aufrüstung im eigenen Land unterstützten würde. Angeblich linke Gewerkschafter schreiben in diesem unterstellten Kontext auch von der „stehenden Heimatfront“.

Würde man z.B. versuchen, alle Forderungen zum Ukraine-Krieg aus unserer Perspektive, unseren Bewegungen, aufzuschreiben, es wären sehr viele, nicht sieben oder acht, sondern wohl vermutlich mehr als hundert. Ersten werden sich aber immer wieder neue Fragen im Laufe der Zeit ergeben und damit vermutlich auch immer wieder neue Forderungen, über die man diskutieren muss, um sich eine Meinung zu bilden. Die Liste wäre aber immer unvollständig. Zweitens ist die Nummer, dass man sich offenbar auf den Aufruf des DGB Hamburg im Vorfeld einer Demo mit seinen vier Forderungen bezieht und dafür aber neue Thema als „Beweis“ für seine Thesen von den „beschwiegenen Themen aufmacht, mehr als kritikwürdig. Drittens ging es bei der Kundgebung des DGB im Vorfeld einer Mieter-Demo nicht um den Krieg in der Ukraine. Keine/r käme auf die Idee, dem Hamburger Forum vorzuwerfen, dass es in seiner Darstellung des Zusammenhang von Krieg und Soziales nicht zur Unterstützung der Streikversammlung am – Datum aussuchen – aufruft oder nicht aufgerufen hat.

Der DGB Hamburg hatte zum 1. September 2022 zusammen mit der VVN, dem Auschwitz-Komitee und dem Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten zu einer Kundgebung aufgerufen und seine Positionen deutlich gemacht sowie inhaltlich dazu argumentiert. Bereits zu dieser Aktivität hatte sich das Hamburger Forum m.E. dafür entschieden, nach „ihrer“ Kundgebung zum Gewerkschaftshaus zu ziehen und nicht an der DGB-Diskussionsveranstaltung teilzunehmen, sondern davor sichtbar zu zeigen, was „ihre anderen“ Themen sein.

Ein bisher noch nicht aufgeklärter Vorgang im Umgang mit den Gewerkschaften seitens der Hamburger Forums ist das Geschehen der Demo vom 5. Oktober 2022, als „Querdenker“ vor dem Lautsprecherwagen lt. Twitter Account Antira Info Hamburg mit ver.di-Ordner-Binden zu sehen waren. Was hat der Anmelder gemacht, um dass zu unterbinden? Wenn er es nicht gesehen hat, was hat er, nachdem der Sachverhalt über Twitter zu einem öffentlichen Thema geworden war, unternommen? Hat man sich gegenüber ver.di davon ausdrücklich distanziert? Ist dem Anmelder bekannt, aus welchem Bestand die Binden gekommen sind?

Es schadet den gewerkschaftlichen Darstellung und Glaubwürdigkeit, wenn unsere Organisation in Zusammenhang mit den so genannten Querdenkern in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, in diesem Fall mit ver.di-Ordner:innen-Binden. Der Täuschungsversuch am 5. Oktober 2022 in Hamburg zeigt meiner Meinung nach auch die Haltung von „Querdenkern“ gegen Gewerkschaften.

Eine ähnliche Linie, wie ich sie aktuell beim Hamburger Forum meine, zu sehen, wird in Hamburg von einer Gruppe verfolgt, die sich selber als „Gewerkschaftslinke“ bezeichnet. Ihr einziger Trieb ist jedoch, das „verräterische“ handeln der Gewerkschaftsführung zu “entlarven”. Am schlimmsten sichtbar wurden deren schändliche Rolle im Neupack-Streik, wo sie der IG BCE indirekt “Streikbruch” unterstellten – dem längsten durchgängigen betrieblichen Streik in der Nachkriegsgeschichte, nicht nur der IG BCE.

Dieter W., einer der Personen aus diesem “JW-Kreis”, hatte bereits am 15. Februar 2022 auf der Rathaus-Demo der „Querdenker“ gesprochen. Seine Aussagen zum DGB machen deutlich, um was es ihm inhaltlich bei seinen Unterstellungen und Kommentierungen geht: „SPD, Grüne sind mitverantwortlich für alle Coronamaßnahmen, weder vom DGB noch der Linkspartei kam in den letzten 2 Jahren grundsätzliche Kritik an der Corona-Regierungspolitik.“ Erstens ist es falsch, denn die Grünen sind erst seit Ende 2021 in der Regierung und können somit nicht (mit)verantwortlich für die Corona-Maßnahmen der letzten zwei Jahre sein. Linkspartei, Grüne und die Gewerkschaften haben ihre Kritik immer sehr klar gesagt. Was den DGB und die Gewerkschaften betrifft, so haben sie ihre Forderungen zum Schutz der Beschäftigten in den Betrieben, der Bezahlung, der sozialen Mindestabsicherung bis hin zu den Rentner:innen u.a.m. massiv eingebracht, auch hier würde es eine lange Forderungsliste werden. Dieter W. pauschaliert und spricht nicht von einzelnen Forderungen, sondern meint es grundsätzlich. Wenn damit die zum Zeitpunkt der Demo die grundsätzlichen Forderungen des Veranstalters als Bild gemeint waren, naja, dann frage ich mich, wer verwirrt ist.

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