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Holger Artus

Das Hamburger Forum begründet Begrüßung von Rechten auf der Kundgebung am 1. Oktober 2022 mit dem Inhalt des Transparents

Der jüngste Newsletter des Hamburger Forums ist Anlass für diesen Beitrag. Inhaltlich geht es in ihm auch um das Geschehen verschiedener Demonstrationen in Hamburg. Zu heftigen Diskussionen war es auf Facebook und Twitter über Vorbereitung und die Abläufe am 1. Oktober 2022 in Hamburg gekommen.

Im aktuellen Newsletter wird u.a. begründet, warum man Teilnehmer:innen unter einem Transparent der rechten Partei, „dieBasis“, begrüßte und nicht vom Acker gejagt hatte. Das Transparent hätte keine antisemitischen, nationalistischen oder rassistischen Inhalte. Die Begründung, dass die Inhalte eines Transparent einer rechten Partei begrüßt wurden, ist ein unglaublicher Vorgang und für die politische Linke m.E. eine neue Lage. Die Trennung vom politischen Charakter einer Partei, ihren Inhalten und einem Transparent kann eine Öffnung nach rechts darstellen.

Dem muss man m.E. schnell entgegentreten. Wer in seinen Diskussionen und Beiträgen die Existenz der Bundesrepublik in Frage stellt, wer den Nazi-Terror an den jüdischen Menschen versucht, zu relativieren, wer sich antisemitische Verschwörungsmythen zu eigen macht und so genannten Reichsbürger eine Plattform bietet, wie “dieBasis”, hat in unseren Bewegungen nichts zu suchen. 

Gleichzeitig werden im Newsletter die Anmelder der Mietenstopp-Demo am 8. Oktober 2022 in Hamburg als „NATO-Büddel“ bezeichnet, wobei bei mir das Gefühl bleibt, dass es um mehr geht, also nur die Anmelder.

Es gab bereits zur Demo am 1. September 2022 eine massive Kritik am Anmelder, dem Hamburger Forum, dass sie sich nicht von rechts abgegrenzt hätte. Auch hier gab es einen Tweet von Antira Info Hamburg, dass Querdenker und rechte mit einem eigenen Block mitgelaufen waren.

Die Beschimpfung von Bündnispartner („NATO-Büddel“) aus den demokratischen, sozialen und antifaschistischen Bewegungen mag eine Meinungsäußerung sein, aber inhaltlich ist das Unterkante-Unterlippe, völlig daneben, falsch und gelogen, da es überhaupt keinen Beleg für diese inhaltliche Behauptung gibt. Selbst wenn man sich den Anlass für diese Beschimpfung ansieht, passt es nicht zusammen. Die Billigkeit des Arguments, dass damit eine Kritik an der Kriegspolitik der Regierung nicht möglich sei, weist auch auf die inhaltlich prekäre Situation des Hamburger Forums hin. Um es einfach zu sagen: Was für eine blödsinnige Darstellung, wo es in der Kritik der Kriegspolitik der Bundesregierung in unseren Bewegungen keine Unterschiede gibt. Wenn man sich als den alleinigen „Erklärbär“ gegen die Aufrüstung in unserem Lande ansieht, können gleiche Sichtweise schon als störend empfunden werden ;-). Aber das ist nicht der Grund für solch „dumm Tüch“. Seit dem 24. Februar 2022 gibt es eine neue Lage und das Hamburger Forum quält sich seit dem, seinen Platz neu zu bestimmen bzw. sucht sich verstärkt in der Annährung an die Querdenker-Strukturen in Hamburg.

Laut Twitter-Account „Antira Info Hamburg“ und Besuchern der Kundgebung waren am 1. Oktober mehrere bekannte Vertreter der Querdenker-Szene auf der Kundgebung mit ver.di Ordner-Binden aufgetreten und es wurden provokativ faschistische Symbole neben dem Lautsprecherwagen präsentiert. Antira Info Hamburg schrieb dazu, dass ein NATO-Logo als Hakenkreuz dargestellt wurde.

Der Twitter-Account „Jannis Große“ schreibt über den Ablauf der Kundgebung, dass in einer Rede von gesprochen wurde, dass die Friedensbewegung „alles von wertkonservativ bis links“ sei.

Am 1. Oktober 2022 selber hatte Twitter-Account „Antira Info Hamburg“ u.a. über die Begrüßung der Mitglieder der rechten Partei, „die Basis“, informiert. Sie wurden nach verschiedenen Berichten nicht vom Veranstalter aufgefordert, das Transparenr wegzunehmen und die Kundgebung zu verlassen. Diese provokante Absicht wurde auch nicht über den Lautsprecherwagen verurteilt. Der Versuch im Vorfeld, man möge sie informieren, wenn Teilnehmer:innen so etwas sehen, ändert nichts an der eigenen Verantwortung für unsere „politische Hygiene“. Das Thema der Querdenker war Tage vorher schon zum öffentliche Thema gemacht worden.

Noch ist nicht geklärt, warum am 1. Oktober 2022 Querdenkern ungestört von der Versammlungsleitung mit ver.di-Ordner-Binden rumlaufen konnten und warum der Anmelder dagegen nicht vorgegangen ist.

Ein Diskussionsbeitrag von Andreas Grünwald auf einem Thread von Thomas Goes vom 4. Oktober 2022 auf Facebook machte die scheinheilige Argumentationskette von Vertretern des Hamburger Forums deutlich, um von ihrer vermutlichen Kooperation mit den so genannten Querdenker abzulenken. Wie später im aktuellen Newsletter argumentiert man losgelöst von diesem Grundsatzproblen: Auf keinem Transparent, in keiner Losung und Redebeitrag habe er etwas „rechtes“ gehört oder gesehen.

Mit der rhetorischen Fragestellung, was ist den „Rechts“ an einem Transparent, wenn da darauf stehe „Frieden, Diplomatie, Keinen Wirtschaftskrieg“, geht er zum zweiten Ablenkungsversuch über. Alle würden zu „Rechten“ und Putinisten erklärt, nur weil sie Sanktionen gegen Russland ablehnen. Die sollte eine Anspielung auf das vermeintliche Alleinstellungsmerkmal des Hamburger Forums sein, dass sie auch eine Ende der Russland-Sanktionen fordere. Wenn eine AG Frieden der rechten Partei, „dieBasis“ die gleiche Forderungen stelle wie das Hamburger Forum stelle, könne dass doch nicht „rechts“ sein.

Mit dem Bild, man werde als Hamburger Forum angeblich von den Medien wie der MOPO verfolgt, in linken und gewerkschaftlichen Kreise diskreditiert und verleumdet, soll eine eigene Verschwörungsgeschichte erzählt werden. Je größer der Wirrsinn, desto weniger kann noch zwischen Dichtung und Wahrheit oder Täuschung getrennt werden. Damit soll am Ende auch davon abgelenkt werden, dass Teile des Hamburger Forums mit „Querdenkern“ kooperieren. Da das im Forum nicht von allen geteilt wird, ist man vor allem darum bemüht, die „Verschwörungsgeschichte“ zu erzählen, die sich zentral um das Thema der Ablehnung der Russland-Sanktionen vermittelt werden soll.

Mit dem aktuellen Newsletter wird jetzt eine neue Drehe gestartet. Der vermeintliche Vorwurf der „NATO-Büddel“ der Anmelder der Mieter-Demo am 8. Oktober 2022 soll dazu dienen, die „Verschwörung“ gegen das Hamburger Forum auf andere zivilgesellschaftliche Bewegungen gegen Rechts auszudehnen, da auch sie die Zusammenarbeit von Teilen des Hamburger Forums mit den „Querdenker“ zur Sprache bringen.

Der provokative Ansatz des Hamburger Forums im aktuellen Newsletter zielt leider nicht nur auf die Schwächung und Spaltung der Hamburger Friedensbewegung, sondern auch anderen demokratischer und sozialen Bewegungen in unserer Stadt.

Wir mögen unterschiedliche Akzente in der aktuellen Friedensdebatte setzen und in vereinzelt unterschiedliche Positionen haben, aber dass alles rechtfertigt nicht diese Darstellung im Newsletter. Was auch immer die machtpolitischen Motive bei Teilen des Hamburger Forums sein mögen, am Ende werden die aktuellen scheitern – leider auch mit der Gefahr großmöglicher Verletzungen für uns zusammen, die wir gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung handeln.

Das Forum muss sich im Interesse unser gemeinsamen Geschichte korrigieren. Dazu gehört auch die Beendigung des Zusammenspiels von Mitgliedern des Hamburger Forum mit der Querdenker-Szene.

Der so genannten Querdenker-Bewegung liegen demokratiefeindliche Bestrebungen zugrunde, die mit gewerkschaftlichen Zielen und Idealen unvereinbar sind. Aktuell bemühen sich faschistische und neurechte Bewegungen, die Sorgen der Menschen über die Folgen der steigenden Lebensmittelpreise, aber vor allem der Energiekosten und den Folgen einer Rezession, für ihre Proteste zu einem „heißen Herbst“ zu instrumentalisieren, um dabei ihre Formierung bis in die bürgerliche Mitte voranzutreiben, um ihre rassistischen, sexistischen, völkischen und antisemitischen Positionen zu verankern. An dieser Inszenierung beteiligen sich auch die Organisatorinnen und Organisatoren der „Corona-Proteste“. Sie stützen sich dabei auf eine zentrale Strategie der so genannten Querdenker-Bewegung mit deren Kritik an den Corona-Maßnahmen und einer oftmals generellen Ablehnung des Staats und seiner Institutionen. Wissenschaftsskepsis, Esoterik und teils antisemitisch grundierte Verschwörungsmythen gehen einher mit der Überzeugung, im Besitz der eigentlichen Wahrheit zu sein – und diese gegen vermeintlich Unwissende bekräftigen und durchsetzen zu wollen. Diese Haltung prägt die generelle Sicht auf die Welt und wird vielfach auf andere Politikfelder wie Klimakrise oder Krieg gegen die Ukraine projiziert. Gerade in der Verurteilung des Überfalls Russland auf die Ukraine erwecken sie den Anschein einer auf den sofortigen Frieden ausgerichteten Kraft, obwohl es für sie nur Mittel zum Zweck der Instrumentalisierung verfolgen. Dabei bedienen sie sich bewusst den Forderungen der Friedensbewegung gegen die NATO-Hochrüstung, in dem sie von der Herstellung normaler Beziehungen zu Russland aussprechen, um in der Friedensbewegung auf Verwirrung und Zwietracht zu setzen. 

Die in der Querdenker-Bewegung vorhandene Neigung zum Antisemitismus ist insofern nicht überraschend, als wir es mit einer Bewegung zu tun haben, die viele Bezüge und eine hohe Neigung zum verschwörungstheoretischen Denken aufweist – und Verschwörungstheorien häufig antisemitische Züge aufweisen.

Zum kommunikativen Ziel der Träger der „Querdenker“ Bewegungen gehört auch, das Bild einer so genannten Querfront zu unterstützen. Das zielt auf die Demoralisierung und Zerstörung demokratische und sozialen Bewegungen in der Gegenwehr und Gegenöffentlichkeit setzt, deren Glaubwürdigkeit soll unterspült werden. Leider gelingt es ihnen auch, Vertretern aus diesen Bewegungen zu erreichen und ihre Bewegung in Szene zu setzen. 

Das Bild einer „Querfront“ muss von den demokratischen Kräften zurückgewiesen werden, es richtet sich gegen eine breite Bündnispolitik gegen Rechts.

Bei der genannten Querdenker-Bewegung muss man von nach vorliegenden Studien von einer großen Heterogenität ausgehen. Es handelt sich nicht um eine, sondern um mehrere, häufig disparate soziale Gruppen, die über geteilte Mentalitäten verbunden sind. Auch wenn viele nicht in rechtsextreme Strukturen eingebunden sind, teilen sie Haltungen und Einstellungen zu Rassismus, Antisemitismus, Verharmlosung des russischen Angriffskrieges oder antidemokratische Haltungen wie das Infragestellen des Öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat, Wahlergebnisse und Regierungen, Maßnahmen des Gesundheitsschutzes.

Die Querdenker-Szene, rechtsradikale und faschistische Strömungen finden sich vor allem in ihrem zentralen Kampfbegriff „Lügenpresse“ inhaltlich zusammen. Dazu kommen inhaltlich vor allem die Angriffe den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Staatsfunk u.a.m. hinzu. Ver.di verteidigt den ÖRR, der bis heute eine der großen antifaschistischen Errungenschaften nach 1945 ist, weil er gegen staatsorientierte Gleichschaltung angelegt ist.

Der Kampf der selbsternannten „Querdenker“ gegen die Demokratie zeigt sich auch im Umgang mit Journalisten:innen. In nahezu allen gängigen Verschwörungsmythen spielen sie eine negative Rolle. Entweder stecken sie angeblich mit Regierenden „unter einer Decke“ oder sie sind „ahnungslose Handlanger“. Diese simple und falsche Bild von oben-unten widerspricht einem aufgeklärten Menschen- und Gesellschaftsbild.

Was das praktisch bedeutet, erfahren Journalisten auf den verschiedensten „Corona-Protesten“. In Berlin wurde unser Gewerkschaftskollege und ver.di-Sekretär, Jörg Reichel, krankenhausreif geschlagen. Das Medienmagazin des NDR, ZAPP, hatte darüber berichtet. https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/DJU-Gewerkschafter-joerg-Reichel-beleidigt-und-angegriffen,reichel222.html „Wir sind zutiefst bestürzt und stehen solidarisch an der Seite unseres Kollegen, der seit dem vergangenen Jahr unter großem, persönlichen, Einsatz die Kundgebungen der sogenannten Querdenker beobachtet und dort für die Medienschaffenden und die Pressefreiheit eintritt“, hatte die dju-Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann am Sonntag in einer Pressemitteilung der dju erklärt. Jörg Reichel war ihr zu Folge seit Monaten von Personen aus der „Querdenken“-Szene diffamiert und bedroht worden, sein Name und Foto kursierten in einschlägigen Telegram-Kanälen.

Eine Studie der Otto Brenner Stiftung zeigte, dass sich Menschen aus dem rechtsextremen Milieu sowie Anhängerinnen und Anhänger der AfD vermehrt über individuell betriebene Quellen im Internet wie dem Social-Media-Kanal Telegram informieren. Diese verstärken das Misstrauen in die professionelle Presse systematisch, obwohl deren Behauptungen keinerlei Kontrolle unterliegen, regelmäßig aber das Verbreiten von Fake-News und Hetze nachgewiesen worden sind. Menschen, die ausschließlich diese Quellen informieren, neigen dieser Studie zufolge außerdem dazu, die Verfassung ablehnen, hängen häufig Verschwörungstheorien an und werden durch sie in ihrem Glauben verstärkt. So können rechtspopulistische Parteien wie beispielsweise die AfD, Ideologien und falsche Fakten an ein großes Publikum verbreiten und Themen in ihrem Sinne deuten. Es ist die Simplifizierung von Sachverhalten und Prozessen, die diese Nutzung so attraktiv machen.

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