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Holger Artus

Eine Spurensuche zu einem IMI Lager an einem „lost places“

Vergangenen Donnerstag, am 15. September 2022, tauchte ich in einem der „Lost Places“ in Hamburg ein, um weitere Informationen zu den italienischen Militärinternierten (IMI) bei den Hamburger Wasserwerken (HWW) in der NS-Zeit zu finden.

Auf der Billwerder Insel, einst Teil der HWW, im unmittelbaren Anschluss an die Elbinsel Kaltehofe, sind mehrere leerstehende Gebäude der HWW, die heute dem Jugendbauhof gehören. Es hatte schon etwas unheimliches, Räume zu betreten, die offenbar von einem auf den anderen Tag vor mehreren Jahren verlassen wurden. Manch Gebäude versteckt sich heute hinter Gestrüpp und erweckt ein verwaisten Eindruck, aber nicht baufällig.

In einem der Gebäude, auf dem Boden, stehen bestimmt hundert leere Regale. Ganz am Ende sind da noch einige Ordner, in denen ich suchen durfte – um weitere Brotkrumen zu den IMI, aber nicht nur ihnen, zu suchen.

Besuch aus Italien zum 8. September 1943

Für vier Tage war das Ehepaar Ruga/Biella anlässlich der Aktivitäten der “Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg” zum 8. September 1943 in Hamburg.

Vor 79 Jahren wurden an diesem Tag der Waffenstillstand der neuen italienischen Regierung mit den Alliierten verkündet und es kam im Gegenzug zur Gefangennahme der italienischen Soldaten durch die deutsche Wehrmacht. Sie wurden in Folge nach Deutschland verschleppt und als Zwangsarbeiter in Unternehmen eingesetzt. In Hamburg waren über 15.000 italienische Militärinternierte. Diesen Status hatten sich die Nazis überlegt, um nicht an internationale Regeln zur Behandlung von kriegsgefangenen Soldaten gebunden zu sein.

Aktivitäten zur Erinnerung an die IMI im dritten Jahr

2022 fand wie in den beiden Jahren am 8. September eine kleine Kundgebung statt, um die herum verschiedene Aktivitäten organisiert wurden. Es war die Absicht, die Kundgebungen an Standorten von IMI-Lagern durchzuführen und den Blick immer auch auf die Unternehmen zu legen. 2020 war es die Bauer Media Group im Kontorhausviertel, 2021 war es der GHB und 2022 die Hamburger Wasserwerke, heute Hamburg Wasser.

Der Recherche-Stand zu den IMI bei den Wasserwerken

Die NS-Zeit der Hamburger Wasserwerke ist durch das Buch von David Templin umfassend und sehr tiefgreifend aufgearbeitet worden. Dazu gehört auch die Erzählung über die Beschäftigung der 220 italienischen Militärinternierten bei den HWW.

Durch die Aktivitäten von Manfred Hessen-Stahl, dem Sohn eines IMI, kam es 2016 zu einem Mahnmal auf der Elbinsel-Kaltehofe. Hier sind 139 Namen aufgeführt.

Heute wissen wir von 220 Namen von IMI, die bei den damaligen HWW an beiden Standorten, in der Süderstraße 112 und am Billhorner Deich 2 arbeiten mussten. Heute wissen wir auch, dass die Namen auf der Elbinsel Kaltehofe alle die IMI in der Süderstraße 112 betreffen, aber nicht die im Lager Kaltehofe.

Durch ein Schreiben der HWW an das Hamburger Arbeitsamtes aus 1944 wussten wir alle Namen, konnten die Differenz und Namen nicht sauber einem Lagerstandort zu ordnen. Leider erst nach Abschluss der Studie von David Templin fand sich eine Liste mit 74 Namen mit dem Titel “Lager Kaltehofe” an.

Recherchen in der “Ausländerkartei” im Staatsarchiv – in Unkenntnis dieser bereits vorliegenden Liste – zu ausgewählten Namen verwiesen uns auf das “Baracke Kaltehofe”, ohne deren genauen Standort des Lagers – bis heute – zu wissen.

Unser Gast auf unser Kundgebung am 8. September 2022, Gianni Ruga, hatte den Lookdown in Italien genutzt, um in den Unterlagen seines Vaters zu blättern. Heraus kam das Tagebuch von Marino Ruga. Das besonderen ist seine Authensität, gewissermaßen ist man live dabei. Aus dem Tagebuch ergaben sich neue Fragen, um was es sich gehandelt haben kann und wo.

Die Planung des Besuchs und der Kundgebung brachte uns mit zwei Partnern zusammen, die das Anliegen der Erinnerung an die italienische Militärinternierten unterstützen oder an einer weiteren Aufklärung ein Interesse hatten und haben.

Hamburg Wasser hat auf der Elbinsel Kaltehofe ein Mahnmal, nutzt die Erinnerung auch zur eigenen Standortbestimmung unter den Beschäftigten und fördert mit der Stiftung Elbinsel Kaltehofe die Information auch über den Einsatz von Zwangsarbeitern im damailigen Unternehmen.

Gespräche, die nicht zur „Abwehr“, sondern zur Klärung der jeweiligen Aufgaben und Verantwortlichkeiten dienen, sind bei den IMI-Thema eher eine Seltenheit. Auch der Südpol, auf dessen Gelände am Ende die Kundgebung am 8. September 2022 stattfand, hatte ein Eigeninteresse am Kontakt und Austausch mit uns. Deren eigene Haltung ist, so mein Eindruck, unserem sehr nahe, was den Austausch und die Abstimmung natürlich sehr angenehm gestaltet. Mit der Durchführung einer eigenen Veranstaltung am 24. August 2022 haben sie es genutzt zur Weiterentwicklung oder Bestimmung ihres Anliegen zur Frage, wie sie am Ort erinnern könnten.

Ob die Planung des Besuchs, die Vorbereitung der Kundgebung und die zu treffenden Absprache, alles trieb und treibt die erneute Recherche.

Wo war das „Lager Kaltehofe“? – Immer noch nicht sicher geklärt

Alle Recherche haben noch nicht dazu geführt, dass man den konkreten Ort des „Lages Kaltehofe“ bestimmen kann. Das trifft m.E. auch auf die Süderstraße 112 zu. Das Lager auf dem Gelände ist nicht abschließend klar, aber das dortige Eigeninteresse, es zu klären, ist sehr stark. Aus meiner Perspektive hat das Vor- und Nachteile, wenn man es alleine machen will. Unser Vorgehen mit den Brotkrumen und möglichst alles mit vielen zu teilen, kann auch ein Weg sein.

Das Tagebuch von Marino Ruga beschreibt das Zwangsarbeitslager „Kaltehofe“ als fensterlos und aus Stein, so dass eine bisherige Annahme, es gab auf Kaltehofe ein Holzbarackenlager gab, fallen gelassen werden konnte. Wenn er zur Arbeit in den „Sand“ ging und dazu eine Brücke überquerte, kann man davon ausgehen, dass es auf dem Firmengelände der Hamburger Wasserwerke lag. Zu dem beschreibt er, dass sie immer auch wieder im Luftschutzraum waren. Einen gibt es auf dem Gelände, was aber nichts heißen muss. Da sie 73 IMI waren, muss es schon eine größere Räumlichkeit gewesen sein. Das Protokoll über den Tot von Italo Carlini vom 20. März 1945 schreibt vom Lager am Billhorner Deich 2 beim Pumpwerk 2, so dass vieles für den Standort der HWW am Billhorner Deich spricht.

Was waren die Tätigkeiten der IMI in Rothenburgsort?

Auf jeden Fall waren sie unterschiedlich.

Arbeit im „Sand“

Wenn er von der Arbeit im „Sand“ spricht, waren die IMI auf der Elbinsel Kaltehofe und mit der Reinigung, mit Arbeiten zur Filtration des Wasser beschäftigt. Eine Personalübersicht auf Kaltehofe führt Anfang 1945 immer sechs IMI auf, was auch heißen kann, dass die dort regelmäßig waren und weitere eingesetzt wurden.

Arbeit in der Fabrik

Es entsteht auf Grund des Tagebuchs der Eindruck, dass die Hauptarbeit in der Fabrik war, die man nur am Billhorner Deich auf den Gelände der HWWverorten kann. Fotos vom Mai 1945 und die Erzählungen heute über deren Lage lassen deren Standort klar verorten.

Arbeit in der Küche

Ungeklärt ist die Arbeit in der Küche, die Marino Ruga, leisten muss. Da das Essen für die Arbeiter auf Kaltehofe über die Brücke kam, wird es diese nicht dort gegeben haben. Ob es eine Küche am Hauptstandort gab, ist noch nicht geklärt.

Arbeit in Billbrook II

Ganz aktuelle Unterlagen machen deutlich, dass es sieben bis acht IMI gab, die in Billbrook II ab Ende Oktober 1943 gearbeitet haben. Noch ist aber nicht klar, wo genau „Billbrook II“ war. Dabei ging es um Messarbeiten an Filtern.

Weitere Zwangsarbeiter wurden über Fremdfirmen bei den HWW eingesetzt

Abrechnungen von zwei Tiefbauunternehmen in einem Rechnungseingangsbuch der HWW für Kaltehofe belegen, dass diese „ausländische Arbeiter“ eingesetzt hatten. Eine „Lohnbuchhaltung“ zu einem der beiden Unternehmen führen niederländische, französische und sowjetische Menschen auf Kaltehofe namentlich auf. Die Orte der Arbeit sind aufgelistet, ob in Rothenburgsort, auf Kaltehofe, der Billwerder Insel und der Süderstraße. Bei dem einen Unternehmen geht es um rund 40 Personen, dem anderen um 20. Was genau der Auftrag des Unternehmens war und was die Arbeiten waren, ist im Moment nicht klar und bedarf es einer weiteren Klärung.

Häftlinge und Bewacher

Eine weitere Übersicht hat den Arbeitseinsatz von „Häftlingen“ bzw. „Schutzhäftlingen“ und deren Begleitung durch Bewacher auf Kaltehofe ergeben. Um was es sich genau handelt, ist im Moment unklar.

An allen Punkten wird weiter recherchiert, heraus kommen werden wieder nur Brotkrumen, aber kleine Punkte in einem Gesamtbild werden sichtbar.

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