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Holger Artus

Ein Stolperstein für Olga Spiro liegt jetzt vor dem Schröderstiftweg 20

Ein Stolperstein wurde jetzt für Olga Spiro vor dem Schröderstiftsweg 20 verlegt. Sie wurde am 15. Juli 1942 über die damalige Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin deportiert. Am 15. Juli 2022 findet aus Anlass des 80. Jahrestag dieser Deportation auf dem Schulhof der heutigen Ganztagsgrundschule Sternschanze eine Kundgebung statt. Hier meine Info an die Nachbarschaft dieser kleinen Straße.

Vor dem Schröderstiftweg 20 wurde jetzt ein weiterer Stolperstein für Olga Spiro verlegt, zusätzlich zu den Stolpersteinen für Melanie, Robert und Otto Spiro. Die Steine erinnern an die tausenden NS-Opfer in Hamburg. 

Olga Spiro war am 15. Juli 1942 über die damalige Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin in die CSR deportiert worden. 2022 ist der 80. Jahrestag dieser letzten großen Massendeportation jüdischer Menschen aus Hamburg.

Melanie und Robert Spiro lebten mit ihrem Sohn Otto in der Sedanstraße 7. Heute heißt die Straße zwischen Schröderstiftstraße und Bundesstraße Schröderstiftweg. Roberts Schwester Olga wurde am 7. Dezember 1875 geboren und wohnte seit 1914 im heutigen Schröderstiftweg 20 im 2. Stock. Sie war Prokuristin, vermutlich in einem Unternehmen der Familie. 1938 zog Olga in eine Stift-Wohnung in der Bogenstraße 25/27, Zimmer 11. ein. Paul, Melanie und Otto Spiro zogen ein Jahr später zunächst in die Schlüterstraße 80, doch wurden dann – wie alle jüdischen Menschen – gezwungen, in ein „Judenhaus“ zu ziehen,  in die Bogenstraße 25/27. Die drei wurden im November 1941 nach Minsk deportiert, wo sie später ermordet wurden. “Judenhäuser” waren Massenunterkünfte, die man später auch als kleine Gettos bezeichnete. Von hier wurde der Abtransport über die Sammelstellen wie nach Minsk oder Theresienstadt/Terezin durch die Gestapo organisiert. 

Otto Spiro, der Sohn von Melanie und Robert, wurde 1923 geboren und ging später auf die Heinrich-Hertz Schule in Winterhude. Ab 1936 waren fast alle jüdischen Schüler:innen aus den staatlichen Schulen vertrieben worden, ohne Aussicht auf ein Abitur. Otto lernte später in die jüdische Werkschule, Weidenallee 10 bc, im Weidenviertel, das Tischler-Handwerk. Ab 1935 wurden hier in zwei Jahren jungen Menschen zu Handwerkern ausgebildet. Die Jüdische Gemeinde beabsichtigte damit, ihnen ein neues Leben außerhalb Deutschlands als Tischler oder Schlosser aufbauen zu können. Im Sommer 1941 wurde die Werkschule geschlossen, weil sie für einen Rüstungsbetrieb Platz machen musste. Die Ausbilder wurden auch im November 1941 nach Minsk deportiert. Einer der ehemaligen Schlosser-Lehrlinge lebt noch: Er ist 100 Jahre alt und wohnt in New York. Ein weiterer, Kenneth Hale, einst Tischler-Lehrling zusammen mit Otto Spiro, ist letztes Jahr im Alter von 99 Jahren gestorben. 

Olga Spiro musste sich am 15. Juli 1942 in der Schule Schanzenstraße einfinden. Bevor sie nach Theresienstadt/Terezin in der CSR verschleppt wurde, mussten sie ihr gesamtes Eigentum abgeben. Durch einen Gerichtsvollzieher wurde ihr am Vortag eine Urkunde zugestellt, durch die ihr das bis dahin verbliebene Eigentum zum „staats- und volksfeindlichen Vermögen“ erklärt und beschlagnahmt wurde. Mitarbeiter des Finanzamtes, des Wohnungsamtes und des städtischen Ernährungsamtes arbeiteten Hand in Hand und zogen Lebensmittelkarten, Rentenbescheide, Sparbücher und Wohnungsschlüssel in der Schule ein. Die Gestapobeamten durchsuchten das Gepäck in der Schule Schanzen- straße. Olga musste einen so genannten „Heimeinkaufsvertrag“ abschließen, was bedeutete, dass sie ihre noch vorhandenen finanziellen Mittel, 3.500 RM, abgeben musste. Ihr verbliebenen Wohnungseinrichtung in der Bogenstraße 25/27 wurden beschlagnahmt und 16. September 1942 versteigert. Der Verkaufserlös wurde ebenfalls beschlagnahmt. Olga Spiro starb am 21. April 1943 im Getto von Theresienstadt.

Das Geschehen in der NS-Zeit nicht zu vergessen

Über die Menschen, die Straßen und Häuser, wo Sie heute leben, gibt es viele Geschichten zu erzählen, wie zum Beispiel Laufgraben, Papendamm oder Bundesstraße. Der Laufgraben 37 war ein „Judenhaus“. Der Laufgraben 39 hatte einen jüdischen Eigentümer, der 1939 gezwungen wurde, es an einen “Arier” zu verkaufen. Für Clara und Alfred Borchardt erinnern Stolpersteine vor dem Papendamm 24. Sie wurden wie Olga Spiro ebenfalls am 15. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin deportiert. Im Laufgraben 27 wohnte die Familie Gentrup, die den Holocaust überlebt hat. Die Bundesstraße 35 und 43 war ebenfalls Judenhäuser. 

Am Freitag, den 15. Juli 2022 findet um 18 Uhr auf dem Schulhof der Ganztagsgrundschule Sternschanze, gegenüber dem Bahnhof Sternschanze, eine Kundgebung statt, um an das Geschehene zu erinnern. Auch sollen an dem Abend die Namen der insgesamt 1.700 Menschen, die an diesem Tag von Hamburg verschleppt wurden, vor dem Haupteingang angebracht werden.

Bereits am 14. Juli 2022 findet um 17 Uhr vor der Bundesstraße 43 eine Kundgebung statt, um an die im Juli 1942 von hier verschleppten 150 jüdischen Bewohner/innen aus diesem “Judenhaus” über die Schule Schanzenstraße zu erinnern. Mehr zu Bundesstraße finden Sie unter https://bundesstrasse43.wordpress.com

Mehr über diese Kundgebung, die NS-Geschichte im Viertel erfahren Sie auch auf der Web-Seite www.sternschanze1942.de.

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