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Holger Artus

Jetzt wird auch öffentlich an die italienischen Militärinternierten von Montblanc erinnert

Direkt gegenüber dem Kantinenraum in der VHS Hamburg-Mitte im Schanzenviertel erinnert jetzt eine Tafel an die italienische Militärinternierten, die hier als Zwangsarbeiter bis 1945 bei Montblanc arbeiten mussten. Ein angemessener Platz und eine respektvolle Geste. In Hamburg wird es auch künftig weitere Orte an den Einsatz von IMI in Hamburger Unternehmen geben. Ein zähes Bemühen, aber diese kleinen Tafel erreichen Menschen, die sich informieren wollen.

Im ehemaligen Montblanc-Gebäude, dem heutigen Standort der Volkshochschule (VHS) im Hamburger Schanzenviertel wurde jetzt eine Gedenktafel für 14 italienische Militärinternierten öffentlich enthüllt.

Was bedeutet „Italienische Militärinternierte“? Mit diesem Namen wurden alle Soldaten bezeichnet, die nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands am 8. September 1943 in Italien und an allen Kriegsfronten gefangen genommen wurden. Sie galten als Verräter, wurden von den Nazis entwaffnet und gefangen genommen, und jedem von ihnen wurde angeboten, sich der Wehrmacht und Mussolinis neuen Staat, der RSI (Italienische Sozialrepublik), anzuschließen. Über 650.000 weigerten sich und sagten NEIN zum Nazifaschismus, wohl wissend, dass sie im Lager sterben und zur Zwangsarbeit geschickt werden könnten.

Auch die Firma Montblanc beutete die IMI als Zwangsarbeiter in ihrem Betrieb für Hitlers Krieg von Ende 1943 bis zur Befreiung Hamburgs am 3. Mai 1945 aus. 

Am 9. September 2021 fand ein wichtiges Treffen mit dem Geschäftsführer von Montblanc, Elvir Johic, und dem Direktor der VHS Hamburg, Uwe Grieger, statt. Beide hatten Orlando Materassi (Nationaler Präsident der ANEI – Nationale Vereinigung ehemaliger Nazilager-Insassen) und Silvia Pascale (Nationale Direktorin der ANEI und Historikerin) mitgeteilt, dass sie gerne eine Tafel mit den Namen der IMIs aufstellen würden, damit sie nicht in Vergessenheit geraten, auch wenn Montblanc seit den 1990er Jahren nicht mehr hier ansässig ist, sondern die Volkshochschule Hamburg. 

Mit der Schaffung dieser Gedenktafel mit den Namen der italienischen Soldaten, die damals als Zwangsarbeiter in Deutschland eingesetzt wurden, konnte ein weiterer Ort der Erinnerung geschaffen werden.

Die italienischen Gäste, Silvia und Orlando, waren im September 2021 auf Einladung der „Projektgruppe Italienische Militärinternierte Hamburg“ für eine Woche in der Hansestadt. Sie sprachen am 8. September 2021 auf der Kundgebung vor dem größten Lager für tausende italienische Militärinternierte, den Lagern F und G am Dessauer Ufer im Hamburger Hafen. 17.000 italienische Kriegsgefangene wurden nach ihrer Gefangennahme am 8. September 1943 zur Arbeit in mehr als 600 Hamburger Betrieben gezwungen.

Der Ort der Inhaftierung der IMI von Montblanc befand sich im Schiller-Opernhaus, nicht weit vom Unternehmen entfernt. Auch hier wurde zum Besuch von ANEI in Hamburg an die mehr als 500 IMI dieses Lagers erinnert. Orlando Materassi und Silvia Pascale blicken mit Emotionen auf den Besuch in Hamburg im September 2021 zurück. 

Mit der Umsetzung der eingegangenen Verpflichtungen werden die Hamburger IMI in Erinnerung gerufen. „Es ist wahr, dass es fast 80 Jahre her ist, dass italienische Militärinternierte nach Deutschland und auch nach Hamburg deportiert wurden. Aber wir dürfen diese Seite der Geschichte nie vergessen“, sagte Orlando Materassi, Präsident der ANEI. Unsere Gesprächspartner sagten uns, dass das Schicksal der IMI in Hamburg und das Wissen über die Unternehmen, die sie ausgebeutet haben, in Italien kaum bekannt sind. Die Gedenktafel in der VHS ist ein gutes Symbol. Silvia Pascale von der ANEI und Historikerin verwies auf die vielen unerzählten Geschichten der IMI während ihrer Deportation nach Deutschland. „Ob Berichte von Angehörigen, Briefe oder Tagebücher, sie vermitteln auf schmerzhafte Weise das Leben der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Sie mussten um ihre Existenz kämpfen, sie mussten Hunger, Kälte und Krankheiten ertragen. Die schwierigen Bedingungen während ihrer Arbeit und die Gewalt, die sie durch die Wächter erlitten, hatten unauslöschliche Folgen, sowohl physisch als auch psychisch, auch nach ihrer Rückkehr aus der Gefangenschaft“. 

Holger Artus, der auch der „Projektgruppe Italienische Militärinternierte Hamburg“ angehört: „Wir brauchen mehr Erinnerungsorte für die italienischen Militärinternierten in unserer Stadt. Das ist es, wofür wir kämpfen. Das Thema der NS-Zwangsarbeit muss immer wieder in Erinnerung gerufen und untersucht werden. Dazu gehört vor allem die Geschichte des IMI, die auch in der öffentlichen Wahrnehmung fast völlig in Vergessenheit geraten ist, was die Projektgruppe unterstützt. „Wir setzen uns für die Einrichtung eines Dokumentationszentrums zu den NS-Zwangsarbeitslagern in Hamburg ein. Auch in diesem Jahr werden wir am 8. September 2022 eine Veranstaltung auf der IMI in Hamburg organisieren. Wir unterstützen weiterhin die Frage der Entschädigung für die italienischen Militärinternierten: Deutschland darf sich nicht drücken, diese Schuld muss beglichen werden.“

(von Silvia Pascale und Holger Artus)

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