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Holger Artus

Stolperstein für Elsa Zwickel, Bartelsstraße 18

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Elsa Zwickel wurde am 7. März 1900 in Hamburg geboren und lebte mit ihrer Schwester Rosa, deren Mann Conrad und deren Sohn bis 1931 in der Rendsburger Straße. Seit 1931 musste sie von der Fürsorge leben, da psychische und körperliche Einschränkungen eine Beschäftigung wohl sehr schwer machten. Die Gewährleistung ihres eigenen Lebens wurde mehr und mehr zum Problem, geht aus den Notizen der Fürsorgestelle aus den Jahren 1931/1932 hervor. Im Oktober 1933 zog Elsa in die Bartelsstraße 18, I. Stock.

Elsa arbeitete als so genannte „Reinemachfrau“. Davon ein Leben zu finanzieren, war kaum möglich. In den Akten findet sich eine Bescheinigung, nach der ihr Wochenlohn zwischen 0,30 und 0,50 Reichsmark lag, so dass sie auf Mittel der Fürsorge angewiesen war. Zeitweilig unterstütze die Jüdische Gemeinde ihr Mitglied Elsa Zwickel, musste die finanziellen Mittel aber im Sommer 1938 einstellen.

Der Zweck der staatlichen Fürsorgestelle änderte sich unter dem NS-Regime grundsätzlich. Ab 1934 beantragte sie Gutachten nach dem Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses“. Dahinter stand die Ideologie der NS-Rassenhygienepolitik. Elsa Zwickel wurde Opfer davon. In einem „Prüfbericht“ vom 21. Juli 1935 wurde noch von einer Zwangssterilisation abgesehen. Ein gutes Jahr später „prüfte“ das Fürsorgeamt diese Option erneut. Es folgte ein weiteres Jahr später die Zwangseinweisung in die Frauenklinik Finkenau und wo der Eingriff durchgeführt wurde. In der NS-Zeit wurden allein im Hamburg vermutlich 19.000 Menschen zwangs-sterilisiert. Die Opfer waren Obdachlose, kranke Menschen oder Prostituierte – sie führten ein „unwertes Leben“. Aus „angeborenem Schwachsinn“ wurde unter den Nazis „moralischer Schwachsinn“, auf dessen Basis Erbgesundheits-gerichte die Sterilisationen beschließen konnten.

Elsa Zwickel wurde am 6. Dezember 1941 zusammen mit 761 weiteren Jüdinnen und Juden über den Hannoverschen Bahnhof nach Riga deportiert. Dabei auch weitere Nachbarn, wie Edith Rosenbaum aus der Bartelsstraße 76, Haus C, oder Clara Philip und Rosalie Hansen aus dem Schulterblatt 84 a. Aus der Agathenstraße 3, auf der anderen Seite des S-Bahnhofs Sternschanze, wurden Ella Steinhäuser, Ernst Knopp, Jenny und Selma Peine nach Riga deportiert, auch Menschen aus dem „Judenhaus“ Kleiner Schäferkamp 32 oder aus der Vereinsstraße 40. Die Jüdinnen und Juden mussten sich auf dem Platz vor der Moorweidenstraße einfinden. Heute erinnert hier ein Gedenkstein am „Platz der Deportationen“ an diese verbrecherischen Ereignisse.

Die Opfer dieser Deportation und weitere wurden zunächst in Riga im behelfsmäßigen Konzentrationslager „Jungfernhof“ interniert. Dies war ein ehemaliges Gutshaus mit Scheunen, kleinen Baracken und Viehställen – größtenteils baufällig und nicht beheizbar. Dort wurden rund 4.000 Personen untergebracht. Etwa 800 bis 900 Menschen starben im ersten Winter an Hunger, Kälte und unbehandelten Krankheiten. Im März 1942 wurden etwa 1.700 Jüdinnen und Juden unter dem Vorwand ausgewählt, in das Lager Dünamünde zur Arbeit in einer Fischfabrik eingesetzt zu werden. Manche meldeten sich dafür freiwillig. Sie wurden jedoch im Wald von Bikernieki erschossen und in Massengräbern verscharrt, die vorher von anderen Juden ausgehoben worden, waren. Die Überlebenden des Lagers „Jungfernhof“ gelangten nach und nach ins Ghetto Riga, das bis November 1943 existierte. Unter den 753 nach Riga deportierten Hamburger Juden wurden 729 Opfer ermittelt.

In unserem Wohngebiet gibt es viele Spuren der NS-Geschichte, seien es Stolpersteine in vielen Straßen. Oder bestimmte Orte wie die Ganztagsgrundschule Sternschanze, von wo aus die Deportationen 1942 nach Theresienstadt erfolgten. Unter www.sternschanze1942.de finden Sie mehr Informationen.

Erinnerung an die Deportation über die Schule Schanzenzenstraße am 15. und 19. Juli 1942

Am 15. und 19. Juli 1942 wurden über unseren Stadtteil über 1.700 jüdische Menschen nach Theresienstadt deportiert. Sie mussten sich in der Schule Schanzenstraße einfinden. Von hier wurden sie von der Hamburger Polizei auf Mannschaftswagen zum Hannoverschen Bahnhof transportiert.

Am 15. Juli 2021 findet eine virtuelle Erinnerung an diese beiden Deportationen über das Schanzenviertel statt. Ab 17 Uhr veröffentlichen wir ein 15-minütiges Video zu diesem Ereignis. Seien Sie gerne dabei.

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