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Holger Artus

Die ersten italienischen Militärinternierten kommen nach Hamburg

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Am 14. September 1943 fand beim Hamburger NSDAP-Gauleiter, Karl Kaufmann, am Vormittag eine Besprechung statt, in der es um den Arbeitskräfteeinsatz (Zwangsarbeiter) für die Bauwirtschaft ging. Die Stadt war in ihren Zentren zu großen Teilen von den Alliierten Luftangriffen zerstört worden.

An der Besprechung nahm auch der Leiter des Amtes für kriegwichtigen Einsatz (AkE), Konstantin Gutschow, teil. Kaufmann hatte ihn 1939 zum „Architekten des Elbufers“ benannt und 1941 bekam er den Titel „Architekt für die Neugestaltung der Hansestadt Hamburg“ verliehen. Gutschow schreibt in einer Protokollnotiz an die teilnehmenden Personen u.a.: „Der Gauleiter bemüht sich um das Hereinbringen von italienischen Kriegsgefangenen. Die ersten 5.000 Italiener sollen dem AkE-Sektor zur Verfügung gestellt werden…. Es sind die Vorbereitungen für die Unterbringung von 25.000 Mann zu klären.“

In späteren Planungen ging es nicht mehr um 25.000 italienische Soldaten, die nach Hamburg als Kriegsgefangenen kommen. Zur Umgehung internationale Regelungen hatten die Nazis den italienischen Kriegsgefangenen den Status so genannter italienischer Militärinternierte gegeben. Bis zum September 1943 war Italien noch eine Verbündete Armee an der Seite Hitler-Deutschlands. Durch den Sturz von Mussoline im Juli 1943 hatte sich die Lage aber bereits grundlegend verändert. Die neue italienische Regierung verhandelte mit den Alliierten über einen Waffenstillstand, der am 8. September 1943, verkündet wurde und in dessen Zusammenhang die italienischen Soldaten entwaffnet wurden, die nicht mehr an der Seite der deutschen Wehrmacht kämpfen wollten.

Am 29. September 1943 wurden die ersten 3.000 italienische Militärinternierten nach Hamburg verlegt. Am 25. Oktober kamen weitere 2.350 und  am 30. Oktober 1943 noch einmal 500. Von den insgesamt 6.350 IMIs wurden 500 direkt auf Bauunternehmenslager verteilt wie z.B. von Aug. Prien oder Plambeck in Garstedt. Die meisten, 5. 810 IMIs, wurden auf die seit dem September 1943 geschaffenen Zwangsarbeitslager verteilt. Neben den beiden großen Lagerhäuser am Dessauer Ufer (2.445 Insassen) und Alter Wandrahm (948) waren sie vor allem in Hamburger Schulen: Schwenckestraße, Forsmannstraße, Eckernförderstraße, Telemannstraße, Erikastraße, Lattenkamp, Kluckstraße oder der Schule Langenfort. Bisher kann man nicht sagen, bei welchen Unternehmen diese IMIs seit September und Oktober 1943 eingesetzt wurden. 

Nach dem ersten Einsatz der IMIs in Hamburg schreibt Gutschow am 7. Oktober 1943 an den Generalbevollmächtigten der Bauwirtschaft in Berlin, Stobbe-Dethleffsen, dass er enttäuscht sei, wie wenig Baufachkräfte nach Hamburg geschickt wurden. Besonders betroffen von den militärischen Angriffe der Alliierten sei die Hamburger Bauwirtschaf mit gewesen. „weil sie gerade in den östlichen, am stärksten betroffenen Stadtteilen ansässig war.“ Wegen der „Schadensbeseitigung an den entscheidendsten Brennpunkten der Versorgungsbetriebe, der Verkehrsanlagen, der Rüstungsindustrie usw. konnten im Wohnungssektor … (bisher) keine Hilfe durch die Bauwirtschaft erfolgen.“ Ein wesentlicher Grund, warum weniger IMIs nach Hamburg kamen, wird in einem weiteren Schreiben an die Abteilung Technische Einsatzplanung im AkE, das Gutschow leitete, aufgeführt: Der „Kriegsmarine … wurde eine größere Anzahl italienischer Militärinternierte zur Verfügung gestellt ….“

Bezüglich des Einsatzes der italienischen Militärinternierten in Hamburg lässt sich heute zwar zum Zeitpunktes des damaligen Arbeitseinsatzes nicht genau sagen, wo sie überall eingesetzt. Mit dem Statuswechsel zum September 1944 vom Kriegsgefangenen zum „Zivilarbeiter“ italienischen Soldaten wurde einmalig sichtbar, in welchen Unternehmen die IMIs eingesetzt wurden und es lässt sich daraus vermuten, in welchen Wirtschaftszweigem sie tätig waren.

Auf der Basis der ersten 6.500 IMIs lässt sich aber der Kern des Einsatzes – unabhängig von den Unternehmen – nach einem Schreiben vom 15. November 1943 relativ genau beschreiben. Die IMis wurden eingesetzt für die

– Abbruch und Schuttbeseitigung wurden 17 Prozent

– Stadtreinigung 6 Prozent

– Baustoffhandel (Holz, Steine) 8 Prozent

– Errichtung weitervererbt Lager 10 Prozent

– Beseitigung von Fliegerschäden 57 Prozent.

Bei letzterem ging es im italienische Arbeitskräfte, die über den Hauptausschuss-Bau in Hamburg den Unternehmen zugeordnet wurden. 400 dieser IMIs kamen bei Strom- und Hafenbau zum Einsatz, also im Hamburger Hafen. Ein besonderes Thema, dass noch weiter behandelt wird. 

Generell kann man aus den Unterlagen zum Zeitpunkt September bis November 1943 sagen, dass das AkE, der Hauptausschuss Bau die meisten Kontingente bekamen (40/60) bekam sowie die militärischen Einrichtungen in Hamburg, aber in einem geringen Umfang von unter 500. 

Aus den Schreiben der Unternehmen an das Gauwirtschaftsamt aus dem Herbst 1944 lässt sich sagen, dass später der Einsatz von IMIs im Bereich der Rüstungsindustrie sehr groß geworden war (Werften, Rüstungsbetriebe in Form von Maschinenbau-Firmen), aber auch die Baufirmen waren in dem Teil immer stärker in militärische Projekte eingebunden, was sich u.a. am Einsatz von IMIs am Geilenberg-Programm oder der Operation Todt u.a. zeigte.

Über die Anzahl der für Hamburg avisierten IMIs gab es unter den Verantwortlichen in der Stadt Hamburg immer wieder unterschiedliche Einschätzungen. In einem (monatlichen) Kurzbericht des AkE vom 27. November 1943 war für Unterbringung der geplanten italienischen Militärinternierten eine Zahl von 15.535 vorgesehen („vorhanden und in Bau befindliche Betten“).

Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 8255 IMIs in Hamburg. Am 1. Dezember 1943 wird moniert, dass die Übersicht nicht das wirkliche Bild des IMIs Einsatzes wiedergebe: „Die in dem Bericht von 8.500 ital. Milit. Intern. muss erhöht werden, da am Monatsschluss noch Einweisungen von 1.600 Mann erfolgten…“

Über die Anzahl der italienischen Militärinternierten in Hamburg gibt es bis heute keine abgedichteten Zahlen. Aus den Anschreiben der Unternehmen an das Gauarbeitsamt aus dem Herbst 19444 kann man von ca. 13.500 ausgehen. Es werden temporär neue Schreiben oder einzelne Namen gefunden, die eine größer Anzahl vermuten lässt. Übersichten der AOK geben auch Auskunft, aber hier erscheinen alle Italiener, also auch jene, die vor 1942 auf Basis einer zwischenstaatlichen Regelung nach Deutschland kamen. Da hier viele Namen aus den Unternehmensanschreiben an das Gauarbeitsamt nicht vorkommen, ergibt sich keine sichere Angabe.

Bisher gibt es von die zuständigen Stellen Hamburgs keinerlei Unterstützung, dieses Thema der NS-Zwangsarbeit aufzuarbeiten. In Teilbereichen in den Hamburger Behörden verhält man sich ignorierend gegenüber Anfragen.

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