Ursprünglich war für den Besuch der Nationalen Vereinigung der italienischen Militärinternierten in Hamburg in der Woche vom 9. bis 13. Februar 2021 ein umfangreiches Programm geplant. Gespräche mit der Stadt Hamburg und der Politik, Begegnungen in der Nachbarschaft zu den Zwangsarbeitslager für italienische Militärinternierte, Besuch der KZ Gedenkstätte Neuengamme und der Israelitischen Töchterschule, Stadtteilrundgänge und mehrere Kundgebungen. Corona-bedingt sind nutr die beiden – jetzt virtuellen – Kundgebungen im Kontorhausviertel anlässlich der Stolperschwellen-Verlegung und im Schanzenviertel, jeweils zu den dortigen Lagern. Auch beim Aufruf zur Kundgebung im Schanzenviertel war ich Ko-Autor, hier der Wortlaut:
Erinnerung an Zwangsarbeitslager in Schule Schanzenstraße 1943 -1945 –
Über die ehemalige Volksschule Schanzenstraße/Altonaer Straße, die heutige Ganztagsgrundschule Sternschanze, wurden im Juli 1942 1.700 jüdische Menschen ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Von Herbst 1943 bis Mai 1945 befand sich hier ein bewachtes Zwangsarbeitslager für rund 400 Personen, die unter erbärmlichen Bedingungen leben mussten.
Es handelte sich um Kriegsgefangene aus den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Italien. Die größte dort untergebrachte Gruppe waren 400 italienische Militärinternierte. Nach dem Sturz der faschistischen Mussolini-Regierung im Sommer 1943 und dem Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten hatte die Wehrmacht italienische Soldaten gefangen genommen. Sie wurden vor die Wahl gestellt, den Kampf auf deutscher Seite fortzusetzen oder in Gefangenschaft zu gehen. 600.000 italienische Soldaten, die sich geweigert haben, wurden nach Deutschland deportiert und zur Zwangsarbeit eingesetzt. Zehntausende kamen in Folge KZ-ähnlicher Haft- und Arbeitsbedingungen ums Leben.
Über 13.500 italienische Militärinternierte kamen nach Hamburg. Sie lebten unter sehr schlechten Bedingungen in Lagern. Als Zwangsarbeiter wurden sie in Rüstungsbetrieben und bei der Trümmerräumung eingesetzt. Auftraggeber waren die Stadt Hamburg und private Unternehmen. Hunderte italienische Militärinternierte starben aufgrund mangelnder Ernährung und medizinischer Versorgung sowie in Folge von Misshandlungen.
Im Schanzenviertel machten sich täglich etwa 2.000 Zwangsarbeiter aus der Schule Schanzenstraße, der Schilleroper, dem ehemaligen Theater des Westens am Schulterblatt 151 und anderen Orten vor aller Augen auf den Weg zu ihren Einsatzorten. Zu den Profiteuren der Zwangsarbeit gehörten u.a. Montblanc in der Schanzenstraße 76/5 (heute VHS), Dennert & Pape im Schulterblatt 58, Block C, ein Rüstungsunternehmen oder ein Schlachtunternehmen in der Schanzenstraße 62.
In ganz Hamburg waren bis 1945 rund 500.000 Zwangsarbeiter_innen im Einsatz. Ohne sie hätte die Hamburger Wirtschaft nicht aufrecht erhalten werden können. Nach 1945 wurde die NS-Vergangenheit der Volksschule Schanzenstraße aktiv verdrängt: Schulleitungen in den 1950er Jahren sprachen von den italienischen Zwangsarbeitern als „dreckige Italiener“, die den Neuanfang der Schule nach dem Krieg erschwert hätten.
In ganz Deutschland dauerte es jahrzehntelang, bis Zwangsarbeit als nationalsozialistisches Unrecht anerkannt wurde. Bis heute wurden die italienischen Militärinternierten nicht entschädigt. Wir möchten Sie zu einer virtuellen Kundgebung in Erinnerung an die in der Schule Schanzenstraße 105 untergebrachten Zwangsarbeiter einladen, um an diesen Teil der NS-Geschichte im Schanzenviertel zu erinnern.
Freitag, 12 . Februar 2021 18.00 Uhr