Am 3. Februar 2020 schrieb ich eine Nachbarschafts-Info über die Familie Wagner, die bis 1939 in der Schäferkampsallee 11 lebten, bevor sie in die Niederlanden flohen. Die Absicht war, zu informieren und im Vorfeld der angedachten Aktivitäten zum 8. Mai 2020 auch Nachbarn zu gewinnen, sich praktisch zu verhalten. Dabei ergab sich, dass Nachbarn sich bei den Hamburger Stolpersteinen melden und die Finanzierung übernahmen. Jetzt, acht Monate nach der Verteilung wird der Stolperstein am 16. Oktober 2020 vor der Schäferkampsallee 11 für die Familie Wagner verlegt.
Die jetzige Info habe ich geschrieben, um über den Fakt der Verlegung zu informieren und um auf die geplanten Aktivitäten zum 9. November 2020 im Wohngebiet hinzuweisen. Aber, es ging mir auch darum, dass angefangene mit dem Info zu Ende zu erzählen zu können.
Am 16. Oktober 2020 werden Stolpersteine für die Familie Wagner verlegt. Sie wohnte seit 1932 in der Schäferkampsallee. Salomon Wagner war mit Johanna verheiratet und hatte eine Tochter, Ilse. Damals hatte trug das gerade neu erbaute Mietshaus in der Schäferkampsallee 11 den Namen “Barbarossa-Haus”. Das Haus Schäferkampsallee 9 hieß “Schäfer-Haus”. Die Familie Wagner lebte bis Januar 1939 in der Nummer 11.
Dann flohen sie nach Amsterdam. Nach dem Überfall Hitlers im Mai 1940 wurden sie dort von den Nazis verfolgt und im Lager Westerbork interniert. Salomon wurde bereits 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Johanna, Ilse und deren Großmutter Golda wurden im März 1943 ins NS-Massenvernichtungslager Sobibor verschleppt und im April 1943 ermordet. In ihrer Zeit in Amsterdam lernte Ilse Wagner die später für ihr Tagebuch berühmt gewordene Anne Frank kennen. Sie hatten zusammen dort den Tischtennisclub “Kleiner Bär minus zwei” gegründet und spielten in der Wohnung der Familie Wagner Tischtennis.
Jetzt sollen vier Stolpersteine für die Familie Wagner amFreitag, den 16. Oktober 2020 vor der Schäferkampsallee 11 um 9.45 Uhrverlegt. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich Zeit nehmen, um anlässlich dieser Verlegung zusammen mit anderen Nachbarn sich der Wagners zu erinnern und bei der Verlegung dabei zu sein.
Wie aktiuell das Thema des Antisemitismus ist, konnten Sie gerade am Beispiel des Anschlags gegen einen Studenten vor der Jüdischen Gemeinde erleben. Sie ist nur einige hundert Meter entfernt von der Bartelsstraße in der Hohen Weide. Schauen wir nicht weg!
Erinnerung an Reichspogromnacht am 9. November 1938
Ich habe ein zweites Anliegen: Salomon Wagner, jüdischer Kaufmann und Mieter der Wohnung in der Schäferkampsallee 11, wurde in der Nacht 9./10. November 1938, der “Reichs-Pogromnacht” der Nazis verhaftet und war bis Januar 1939 im KZ Sachsenhausen interniert. Diese Pogrome waren der Anlass für die Familie, nach Amsterdam zu fliehen. Es wurden hunderte jüdische Geschäfte zerstört, davon auch betroffen jüdische Geschäfte im Wohngebiet. Rund 1.000 jüdische Menschen wurden in Hamburg festgenommen. Die meisten wurde nach einigen Tagen in KZ Sachsenhausen verschleppt und dort auch misshandelt auch aus diesem Stadtteil waren etliche von der Verschleppung betroffen.
Am 9. November wird in Deutschland mit vielen Veranstaltungen an die “Reichs-Pogromnacht” erinnert. Am Montag, den 9. November 2020, findet um 18.00 Uhr eine Kundgebung vor der Weidenallee 10b statt, um an diesen Tag zu erinnern. Hier gab es bis 1941 eine jüdische Ausbildungswerkstatt, damit die jungen Menschen einen Beruf als Schlosser und Tischler erlernten konnten.
Zwei der Gäste am diesjährigen 9. November werden die heute 98-jährige Kenneth Hale und 97-jährige Kurt Goldschmidt, beide in New York lebend, sein. Sie werden “live” zugeschaltet. Kenneth Hale, der damals noch Klaus Heilbut hieß, war einer Tischler-Auszubildenden und erlebte als 16-Jähriger zusammen mit seinem Bruder den 10. November 1938. Sie konnten vor den Nazi-Horden fliehen, aber Kenneths Bruder wurde dabei verletzt.
Kurt Goldschmidt wurde in der Weidenallee 10b als Schlosser ausgebildet, 1945 nach Theresienstadt deportiert und von der Roten Armee befreit. Außerdem werden Mitglieder der Bezirksver- sammlung Eimsbüttel und von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg das Wort ergreifen. Es wäre schön, wenn auch Sie dabei wären.