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Holger Artus

Über das Zwangsarbeitslager in der Schützenpforte

Es war ein Zufall, dass ich mich mit dem Thema der Zwangsarbeitslager im Kontorhausviertel beschäftigte. 2013 hatte ich nach Unterlagen gesucht und war kläglich gescheitert. Für mich war die Sache damals erledigt.

2019, im Zusammenhang mit einer wiedermal gescheiterten Recherche im Zusammenhang mit einem damals noch nicht nachgewiesenen Lager in der Schule Schanzenstraße im Staatsarchiv ärgerte ich mich derart, dass ich laut rummeckerte. Warum auch immer, plötzlich wurde mir gesagt, dass es da etwas gebe, auch wenn man sich das Material ansehen müsse.

Ich bestellte, verstand die Vorgehensweise bei der Recherche und lernte quer zu denken. Wenn ein Weg zu keinem Ziel führte, überlegte ich mir, über welches andere Thema ich gehen müsste. Statt die Baubehörde über die Finanzbehörde etc. Es dauerte Monate und auch viele sinnlose Recherchen im Staatsarchiv, bis ich einige Dokumente über das “Italiener-Lager” fand. Aber es blieben bei jedem neuen Fund Zweifel. Erst mit den Namen aus der Hausmeldekartei war der sicherste Beleg gefunden.

Ab September 1943 wurden über 12.000 italienische Kriegsgefangene nach Hamburg deportiert, um als Zwangsarbeiter eingesetzt zu werden. Dafür wurden Massen-Gemeinschaftslager eingerichtet. Man benötigte sie für die Rüstungsproduktion, setzte sie als Pfleger in Krankenhäusern ein, zur Räumung von Verkehrswegen und zur Versorgung der Hamburger Bevölkerung oder zur Aufrechterhaltung verschiedener Produktionsstätten, insbesondere der Kriegsproduktion. Es fehlte an “deutschen” Handwerkern, die als Soldaten eingesetzt waren, um den sinnlosen Krieg der Nazis nur noch zu verlängern.

Die Nazis suchten in Hamburg hektisch nach Quartieren, in Schulen, in teilweise zerstörten Häusern. Dabei spielte das Kontorhausviertel in ihre Planungen für „Ersatzraum“ seit 1942 immer eine Rolle. Die durch das Bombardement im Juli 1943 zerstörten Gewerberäume waren durch einen Holzausbauten/Holzbaracken schnell wieder zu verwenden. Das Heinrich-Bauer-Haus in der Schützenpforte 11, heute Burchardstraße 11, war 1943 teilweise zerstört worden, insbesondere das Dachgeschoss.

In den monatlichen Übersichten des Amtes für Kriegswichtigen Einsatz über den „Fortschritt“ bei der Schaffung von Zwangsarbeiterlager für die italienischen Militärinternierten wurde das Lager im Heinrich Bauer Haus/Schützenpforte per 30.11.1943 als im Bau befindlich bezeichnet.

Staatsarchiv Hamburg, 332-3, Architekt Gutschow B 95

In einem Aktenvermerk der Baupolizei von 14. Dezember 1943 wird auf die Fertigstellung des Lagers Bezug genommen.

Staatsarchiv Hamburg, 322-3 Akte Gutschow, B 90

In der Übersicht vom 31.10.1943 wurde das Heinrich Bauer Haus noch nicht aufgeführt.

Staatsarchiv Hamburg, 332-3, Architekt Gutschow B 95

Aus neuen Unterlagen ergibt sich, dass das Zwangsarbeitslager zum 23. Dezember 1943 belegt war.

Staatsarchiv Hamburg,

In einer Notiz vom 29. September 1944 wird auch noch einmal auf das Lager im Heinrich Bauer Haus Bezug genommen. Dabei ging es um den ärztlichen Dienst in den Zwangsarbeitslager der italienischen Militärinternierten. Das Lager in der Schützenpforte wird als „Massenquartier“ bezeichnet.

Staatsarchiv Hamburg, 352-12, Gesundheitsverwaltung Sonderakten

In der Planung von Ersatzraum in Hamburg war das Kontorhausviertel seit 1942 immer aufgeführt.

Staatsarchiv Hamburg, 322-3 Sonderakten Gutschow B 6

Es gab eine regelmäßige Erhebung, wo Ersatzraum in Hamburg geschaffen werden kann und wie es um den Bestand an Baumaterialien dafür stand. Die Erhebung der Ersatzraummöglichkeiten wurden in einer Kartei erfasst.

Staatsarchiv Hamburg, 322-3 Sonderakten Gutschow B 23

Es gab diese Übersicht auch für den Stand der Zerstörung von Gebäuden und deren Wiederherstellungsmöglichkeiten. 

Staatsarchiv Hamburg, 322-3 Sonderakten Gutschow B 23

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