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Holger Artus

Über jüdische Mieter in der Hoheluftchaussee 91 und 93

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Mitte Januar 2020 hatte ich Sie über die Geschichte Ihres Mietshauses in der NS-Zeit informiert.  Im Januar 2020 hatte u.a. der SPIEGEL über die Häuser im Eppendorfer Weg 225/ Hoheluftchaussee 93 und Hoheluftchaussee 93 geschrieben. Die jüdischen Eigentümer mussten damals an den „Arier“, den Eigentümer des Heinrich Bauer Verlages, heute Bauer Media Group (TV Movie, InTouch u.a.) verkaufen.

Lampert und Else Leopold wurden vergast, Elfriede David entschied sich kurz vor ihre Deportation für den Tod. Paul Dessauer konnte fliehen, aber lebte in den USA völlig verarmt. Sie sorgten aber noch dafür, dass ihre Kinder in die USA mit einem Teil des Geldes aus dem Hausverkauf emigrieren konnten. Ihre Enkelkinder leben! Auch ehemalige Nachbarn von Ihnen wurden 1941 und 1942 verfolgt, deportiert oder ins KZ gesperrt – weil sie Juden waren. Ihre Namen habe ich auf Deportationslisten vom 8. und 18. November 1941 gefunden. Es handelte sich dabei um Max Sommerfeld, Edith Jacobs sowie Aron und Gertrud Feibel. Sie wurden nach Minsk verschleppt.

Max Sommerfeld war am 9. September 1909 in Hamburg geboren. In einem Fragebogen nach 1946 gab er als Beruf “Kaufmann” an. Mitte der 1920er Jahre hatte er eine kaufmännische Lehre in einem Unternehmen für Woll-waren und Trikotagen abgeschlossen. 1928 hatte er sich selbstständig gemacht und ein Geschäft eröffnet. Er betrieb es bis 1938. Bereits in der so genannten “Reichsprogromnacht” vom 9. auf den 10. November 1938 war er Opfer des Antisemitismus geworden: “Man brachte mich zur Polizei-wache Bundesstraße, wo bereits 100 Juden waren. Nach dem man mir meine Bargeld-Wertgegenstände etc. genommen hatte, wurde ich in den Keller gebracht. Noch in der gleichen Macht wurde ich unter Beifall der draußen wartenden deutschen Bevölkerung und unter Fußtritten … ins Zuchthaus Fuhlsbüttel gebracht.” Er wurde im Februar 1939 aus dem KZ Sachsen-hausen wieder entlassen und lebte bis zur Auflösung des Ghettos im September 1943 in Minsk. Dann wurde er ins KZ Lublin deportiert. Es folgten die KZs von Mielece, Willice, Floßenbürg, Leitmeritz und zum Schluss Mauthausen-Gussen II. Über seinen Tag der Befreiung schrieb er: “Ich wurde am 5. Mai 1945 aus dem KZ Mauthausen befreit und gehörte zu den fünf Hamburgern, die damals dem Tode entronnen sind.“ Max Sommerfeld wanderte 1949 in die USA aus.

Aron und Gertrud Feibel, geborene Fürstenberg, wohnten in der Hoheluftchaussee 93. Gertrud war am 21. März 1889 in Lebork/Lauenburg geboren. Aron am 7. August 1873 im polnischen Świecie. Sie wurden am 4. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Nach dem erzwungenen Auszug wurden die Wohnungen versiegelt, der Gerichts-vollzieher kam und organisierte den Verkauf des Inventars. Die Nazis erlösten dabei einen Betrag von 552 Reichsmark. Ihre Wohnung wurde von der Hausverwaltung der Heinrich Bauer OHG wieder vermietet. Ihre Spuren verliefen sich in Minsk. Aber die Namen der Feibels werden im “Gedenkbuch der Opfer des NS-Regime” im Bundesarchiv als Opfer aufgeführt. Die Geschwister von Gertrud, Alice Schoeps, Martin und Nathan Fürstenberg wurden ebenfalls deportiert. Die Spuren von Martin und Nathan Fürstenberg verliefen sich nach ihrer Deportation. Alice Schoeps lebte in Berlin, wurde am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort am 31. März 1943 ermordet. Ihre drei Kinder konnten in die USA fliehen und überlebten. An sie und ihren Mann, Lesser, erinnert in Berlin ein Stolperstein vor der Bachstraße 1-2.

Edith Jacobs wohnte in der Hoheluftchaussee 91 bei der Lehrerin A.Streim, bei der auch Max Sommerfeld wohnen konnte, bevor er deportiert wurde. Edith war am 10. Dezember 1920 in Gelsen-kirchen geboren. Als Beruf wurde bei ihr “Arbeiterin” angeben. Sie wurde am 18. November 1941 nach Minsk deportiert und ist 1943 ums Leben gekommen. Ihre Schwester Hertha Rothschild konnte in die USA fliehen und sorgte 1978 dafür, dass es in der Gedenkstätte in Yad Vashem in Israel ein Gedenkblatt für Edith gibt.

Erinnerungen an Paul Dessauer

Paul Dessauer war bis Dezember 1938 Eigentümer der Häuser Eppendorfer Weg 225/ Hoheluft-chaussee 91. Ihm gehörte auch das „Kaufhaus Hoheluft (KaHo)“ in der Hoheluftchaussee 93. Bis 1938/1939 zwangen die Nazis die jüdischen Menschen, ihre Immobilien und Unternehmen an „Arier“ zu verkaufen. Der Verkaufspreis wurde auf ein Sperrkonto überwiesen, über das die Stadt verfügte. Bis zu 90 Prozent vereinnahmte der Staat. Es gibt jetzt einen Blog im Internet, der sich darum bemüht, um über Paul Dessauer und den Vorgang um die Verkäufe zu informieren: https://pauldessauer.wordpress.com

Stolpersteine auf dem Fußweg erinnern an NS-Opfer

In Hamburg, in Deutschland und in ganz Europa gibt es zehntausende von Stolpersteinen, die an die NS-Opfer erinnern. Es ist das größte dezentrale Kulturdenkmal in Europa. Stolpersteine werden vor allem durch Patinnen/Paten möglich. Ich möchte Sie dafür gewinnen, auch einen Stolperstein mit zu finanzieren. Auf der Web-Seite der Hamburger Stolperstein-Initiative können Sie sich darüber informieren. Unter www.stolpersteine-hamburg.de können Sie sich unter der Rubrik „Pate/Patin werden“ näher informieren. Die Kosten betragen 120 Euro.

Hier die Nachbarschafts-Info als pdf.

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