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Holger Artus

Keine Instrumentalisierung

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Nach den Tarifverhandlungen in der Druckindustrie am 22. November 2018 ist klar, dass es erst einmal keine weiteren Verhandlungen über die gekündigten Tarifverträge in der Druckindustrie geben wird. Während ver.di die Lohntabelle gekündigt hat, haben die Arbeitgeber den Großkonflikt über die Kündigung des Manteltarifvertrag (Arbeitszeit, Schichtzuschläge) gewählt.

In einem Schreiben an den Bundesverband Druck und Medien (bvdm) Brief hat ver.di-Vize und Verhandlungsführer, Frank Wernecke, angekündigt, dass man sich angesicht der Haltung des Bundesverbands der Arbeitgeber um regionale Verhandlungen mit den Arbeitgebern bemühen will.

Eine Option, die vor der Verhandlung am 22. November 2018 bestand, die Tarifverhandlungen für gescheitert zu erklären, ist (noch) nicht eingetreten. Scheitern, dass heißt der Aufruf zum Streik und der Weg in die Urabstimmung. Das genau ist die Achillesferse von ver.di, das wissen auch die Arbeitgeber. Eine nationale Streikmacht hat man in diesem Industriezweig nicht mehr. Insofern, was das taktische Vorgehen betrifft, ist der Weg über regionale Verhandlungen mit dem Zeitungsverlegern zu wählen, eine sinnvolle Maßnahme, eben überall dort, wo man streikmächtig ist. Wo man das ist, wird es den Arbeitgebern nicht gefallen, dass gerade sie bestreikt werden (würden).

Am 5. November 2018 hatte die Tarifkommission Zeitungsredakteure in verdi getagt. Nach der Mitgliederbefragung über das Verhandlungsergebnis vom Juli 2018 zwischen der größten Journalistengewerkschaft, dem DJV, mit den Zeitungsverlegern, wurde es jetzt auch formal abgelehnt. Eine Meldung auf dem WordPress-Blog http://zeitungblog0711.wordpress.com offenbart die angedachte Tarifstrategie, die im Ergebnis dazu führen würde, dass man Willens ist, sich aus dem Flächentarifvertrag  zu verabschieden. Allein, auf diesen Weg in Zusammenhang mit einem Tarifabschluss 2018 zu setzen, in dem es um 0,x Prozente mehr geht, macht die völlige Fehlentwicklung in der ver.di Tarifkommission im Bereich der Zeitungen deutlich. Es handelt sich um eine Grundsatzfrage, ob man bereit ist, die Fläche zu zerlegen. So etwas schießt man nicht aus der Hüfte oder instrumentalisiert eine Lage. Sicher gibt es zugespitzte Situationen, wo man sich aus der aktuellen Bewegung heraus entscheiden muss, weil z.B. der Arbeitgeberverband einen dazu zwingt. Bei den Zeitungsredaktionen ist die Gehalts-Tarifrunde im Kern jedoch abgeschlossen. Alle, ob im DJV oder ver.di organisierte Journalisten/innen erhalten den Juli-Abschluss. Es gab auch keine erpresserische Situation durch die Bosse, sondern nur das eigene – verwirrte – Handeln, dass man jetzt „Kante“zeigen will (in zwei Bundesländern), weil der DJV zu nachgiebig war, damit müsse endlich Schluss sein.

Hintergrund für die Vorgehensweise in der Tarifkommission Zeitungsredaktionen ist das Vorgehen von ver.di wie oben beschrieben in der Druckindustrie. Hier gibt es eine zugespitzte Situation, in der ver.di vor einer schwierigen Lage steht, die zu einer Grundsatzentscheidung führen kann. Darauf setzen die Treiber (für eine abenteuerliche Vorgehensweise) in der ver.di-Tarifkommission für die Tageszeitungsredaktionen. In der Druckindustrie haben die Unternehmen einen künftigen Lohnabschluss mit dem von ihnen gekündigten Manteltarifvertrag verknüpft. Dabei wollen sie die Fortschreibung des MTV nur für die bisherigen Belegschaften, für Neueingestellte soll er nicht mehr gelten. Erschwerend insgesamt kommt hinzu, dass die Tarifverträge der Druckindustrie nur noch unmittelbar bei unter 25 Prozent der Unternehmen gelten, ¾ sich aber daran orientieren. ver.di muss für sich entscheiden, welchen Druck sie aufbauen kann und wo man eine Aussicht auf Durchsetzung hat. Genauso muss man die Frage stellen, wie wohl realistisch ein Ergebnis aussehen könnte, bevor man den Konflikt auf die Spitze treibt. Die Verknüpfung von Lohn- und Mantel ist für die Mobilisierung von verärgerte Belegschaften für ver.di von Vorteil, da es auch darum geht, Haltung zu zeigen. In den aktuellen Streikbetrieben ist die Stimmung gut, ihre Anzahl bei über 700 Industriebetrieben in der Druckindustrie aber sehr überschaubar. 

Auf diese Option, dass es in der Tarifrunde Druckindustrie in Teilregionen zum Versuch kommt, regionale Tarifabschlüsse Druck über Warnstreiks zu realisieren, setzt die Tarifkommission der Zeitungsredaktionen. Doch die Szenarien sind komplizierter, weil man zum einen den regionalen Arbeitgeberverband benötigt und die Gefahr besteht, dass es im Gegenzug zu betrieblichen Abschlüssen auf Ebene der Druckereien kommt. Der Mantel würde betrieblich wieder in Kraft gesetzt und beim Lohn findet man eine Lösung. Die Gefahr, dass es Haustarifverträge in der Druckindustrie gibt, würde darin bestehen, dass man dann auch keine Fläche mehr hat und vermutlich in Zukunft sogar abweichende Abschlüsse erreicht, von Unternehmen zu Unternehmen. In den Druckereien, wo man nicht über die Kraft verfügt und es eben keine Fläche mehr gibt, weil ver.di nicht kann und will, gelten die alten Regeln weiter. Eine Neuformierung unter den Druckereien dürfte auch aus wirtschaftlichen Gründen schwer werden, angesichts der Konsolidierung in dem Industriezweig. Bereits heute könnte man vorher sagen, welchen Zeitungsdruckereien vom Markt verschwinden werden und wer vermutlich den Druckauftrag übernehme.. 

Das aufsetzen auf diese schwierige Lage in der Druckindustrie aus einer eher „komfortablen“ Lage bei den Zeitungsredaktionen ist moralisch fragwürdig. Tariftaktisch muss man über alles nachdenken, um seine Ziele zu erreichen. Die Sicherung der Flächenbindung hat einen strategischen Wert. Der solidarische Tarifansatz, dass die Starken für die Schwächen kämpfen ist ein Grundsatz der gewerkschaftliche Arbeiterbewegung, der aber bei der ver.di-Truppe in der Tarifkommission Zeitungen eher weniger eine Rolle spielt. 

Es gibt die Erfahrungen von ver.di in der Papierverarbeitung 2004/2007, wo man glaubte, über Haustarifverträge den Arbeitgeber auf der Fläche in die Knie zwingen zu können, so dass es zu einem neuen Flächentarifvertrag käme. ver.di fuhr eine Niederlage ein und musste kriechend für den Preis, dass es wieder einen Flächentarifvertrag gibt, unterschreiben, dass die Arbeitszeit von 35 auf 38,5 Stunden ohne Lohnausgleich ausgedehnt werden kann. Die war zwar an Bedingungen geknüpft, die aber an dem Fakt ändert es nichts. Diese Gefahr besteht bei den Zeitungsredaktionen nicht, da es einen Flächentarifvertrag von DJV und BDZV, den Zeitungsverlegern, gibt. ver.di ist eine kleinst-Gewerkschaft in den Redaktionen und verfügt in verschiedenen Regionen Bayerns und Baden-Württembergs über starke Strukturen. Auch sie würden nichts ändern, da der redaktionelle Streikdruck ohne den DJV und praktisch auch noch gegen den DJV gerichtet wäre. Man könnte der Mehrheit der Nichtstreikenden zwar nicht vorwerfen, sie sein Streikbrecher – da ihr Tarifvertrag abgeschlossen ist – aber man würde sie in eine solche Situation nötigen.

2016 gab es bereits eine ähnliche Lage, dass beide Tarifrunden, die der Druckindustrie und Zeitungsredaktionen sich trafen. Es kam zu gemeinsamen Aktion, von verdi und dem DJV im Rahmen der Flächenauseinandersetzung. Da es zuerst einen Abschluss in der Druckindustrie über die Höhe des Gehalts gab, kam prompt die Erklärung aus einzelnen redaktionellen Streikleitungen, dass man den damaligen Druckabschluss nicht für die eigenen Gehaltsverhandlungen übernehmen solle. Er sei zu gering und die Drucker schaden den Interessen den Journalisten/innen. 

Sollte die Fläche sich aus welchen Gründen auch immer zerlegt, ist der Weg zu ihr zurück über die Region sehr schwer.  Der Preis wäre sicher bitter, weil man dafür etwas abgeben müsste.

Holger Artus

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