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Holger Artus

20 Jahre Betriebsratsarbeit verdient einen Platz!

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Im ver.di-Fachmagazin „Menschen machen Medien“ geht es um die zum 30. Juni 2017 aus dem Berliner Verlag ausscheidende Betriebsratsvorsitzende, Renate Gensch. Bevor sie beim Berliner Kurier Polizeireporterin wurde, war sie Redakteurin des Mitteldeutschen Express in Halle.  Im Gespräch sagen Nico Kramer, Konzernbetriebsratsvorsitzender DuMont Berliner Verlag und Holger Artus, Betriebsrat aus der Hamburger Morgenpost, etwas über ihr Wirken.

M | Der Betriebsrat des Berliner Verlages wird von DuMont wie das gesamte Unternehmen am Alexanderplatz abgewickelt und macht dort jetzt quasi das Licht aus. Ihr nanntet es einen schmerzlichen Verlust?
Nico Kramer | Schmerzlich ist es auf alle Fälle. Eine über 20jährige Zusammenarbeit – bis vor zwei Jahren sogar in einem Betriebsrat – prägen natürlich. Wir kennen uns nun fast so genau wie Eheleute – manchmal schon unheimlich!
Holger Artus | Nach so langer Zeit hat man einen engen gemeinsamen Draht, da fehlt dann einfach was. Zur Arbeit von Betriebsräten gehört es, eine Vorstellung zu entwickeln, warum etwas im Unternehmen passiert, dann kann man sich entsprechend aufstellen. Viele sagen auch, man solle nicht spekulieren. Mit den Berliner Betriebsräten und Renate konnte man Annahmen besprechen und in Varianten denken. Das erlaubt strategisches Vorgehen im laufenden Geschehen. So sind wir Planungen des Unternehmens sehr, sehr nahe gekommen, im Berliner Verlag, aber auch anderswo.
M: Die Interessenvertretung am Alexanderplatz war immer kämpferisch – egal, ob die Eigentümer G+J, Holtzbrinck, Mecom oder DuMont hießen. Mal wurde gar ein „Revoluzzer-Gen” unterstellt. Was seht Ihr rückblickend als originäre Stärken dieses Betriebsrates?
Holger | Ich kenne den Betriebsrat des Berliner Verlages seit 1994 und Renate als Betriebsratsvorsitzende beim Berliner Kurier seit 1996. Sanierung, Neuaufstellung und erhofftes Wachstum wechselten sich hier häufig ab. Die Dinge beim Namen zu nennen, die Beschäftigten einzubinden, die Gewerkschaften ins Boot holen und sich einen Plan zu geben, Öffentlichkeit herzustellen, betriebspolitisch zu agieren und nicht sklavisch an Paragraphen zu hängen, sind Stärken dieser Interessenvertretung gewesen. Die Abstimmung über das Vorgehen, also die Debatte, bevor man etwas anschiebt, gehörte ebenfalls dazu. Die meisten Betriebsräte haben eher Schiss vor Medienöffentlichkeit. Die Berliner mit Renate waren hier ganz Journalisten.
Nico | Renate ist schon eine „Rampensau”. Das ist bei den Kämpfen, die wir im Berliner Verlag hatten und für die dazu notwendige Aufmerksamkeit natürlich eine Eigenschaft, die uns allen zu Gute kam.
M: Die vier Jahre unter der „Heuschrecke” Mecom bis 2009 waren besondere. David Montgomery fühlte sich am Ende von einem „Propaganda­apparat mit politischer Mission” bekämpft. War der Betriebsrat dessen Schaltzentrale?
Holger | Auf jeden Fall! Das Netzwerk von Renate, das Vorgehen nach „Annahmen” und ihr Gen loszulegen, auch die feste Verankerung der Themen in der Redaktion, das alles „bohrte” Mecom quasi in der öffentlichen Wahrnehmung auf. In den betrieblichen Abwehr-Aktionen wurde die Glaubwürdigkeit der Unternehmensstrategie unterspült. Zuvor hatten wir ein regelrechtes Profil von Mecom erarbeitet, indem wir analysiert und überlegt haben, wer da auf uns zukommt. Dass wir sogar das öffentliche Bild von Montgomery entscheidend mit prägen konnten, zu dem dann das Symbol der Heuschrecke kam, das war eine enorme Erfahrung. Dazu muss man sich trauen. Renate konnte das.
In Eurem Betriebsratsbüro hing ein detailliertes Organigramm des Mecom-Imperiums, vielleicht exakter als bei Montgomery selbst. Das stammte von Dir, Nico?
Nico | Es hat uns sehr geholfen, die Verflechtungen zu erkennen. Deshalb hatte ich das visualisiert, die ­Recherchen dazu kamen auch von anderen. In der Geschäftsführung hing das übrigens auch, die haben sich voll auf uns verlassen, jedenfalls hatten sie selbst nichts Besseres.
Und Renate? Was zeichnet sie als Interessenvertreterin aus?
Nico | Ihr Einsatz für die Kolleginnen und Kollegen war und ist bedingungslos. Sie nennt sich öfter mal die „Rächerin der Enterbten” – bei Otto geklaut. Aber das trifft es ganz gut.
Holger | Sie hat großen Mut, den Dingen auf den Grund zu gehen. Solches Vorgehen macht eine Interessenvertretung stark und glaubwürdig. Das Unternehmen will die wahren Gründe ja immer vernebeln. Renate spricht Dinge ohne Rücksicht auf Folgen für ihre Person an. Natürlich kennen wir sie als impulsive Kollegin, aber sie geht doch sehr strukturiert vor und fragt auf den Punkt. Sie nimmt sich selbst des Teewassers an, das tun andere Betriebsräte auch, aber bei ihr ist es nicht funktionell, sondern Haltung.
Hat sie als frühere Polizeireporterin eine besondere „Nase” für Entwicklungen?
Holger | Sie war nie Bedenkenträgerin, trat nicht auf die Bremse, im Gegenteil. Mecoms Aktivitäten in Europa zu beobachten, führte zur Idee, den Blog „Mecom Watch” zu gründen. In Englisch wurde über das betriebliche Geschehen informiert, ob aus den Niederlanden, Norwegen, Dänemark, Polen oder Ausgewähltes aus Deutschland. Die Beziehungen zu Gewerkschaften und Betriebsräten in diesen Ländern waren sehr gut, weil Renate eine kontaktfreudige Person ist. Wir sind einmal nach London gefahren, um uns mit Medienvertretern vor einer Bilanz-Pressekonferenz von Mecom zu treffen. Immerhin haben wir es bis in den Guardian geschafft und in englische Fachmedien. Es ging auch darum, den Euro-Betriebsrat von Mecom auf neue Füße zu stellen. Oder jetzt am Ende hatten wir unsere WhatsApp-Liste zu den Auseinandersetzungen im Berliner Verlag. Jeder andere Betriebsrat hätte vermutlich Nein gesagt. Renate sah die Chance, damit effektive Info-Arbeit zu machen.
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