Ansichten

Holger Artus

Beginn und Ende

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Die Zeitungslandschaft befindet sich im Umbruch. Bei genauerer Betrachtung haben die Verlage neben dem Umsatzproblem auch die Herausforderung, ihre strukturellen Kosten aus der alten Periode des Wachstums zu reorganisieren, wenn man sich die Bilanzen der großen Zeitungsgruppen ansieht. Ãœblich haben alle große Gruppen ihre Personalkosten durchgeflöht und sind am Abbau von Beschäftigten oder haben es getan. Ideologisch kommt ihre Arbeitnehmer/innen-feindliche Haltung hinzu, sich der Tarifbindung z.B. durch Ausgliederungen zu entledigen. Gegen die Folgen der Konsolidierung wird dieser Kurs aber nichts bringen. Der Markt wird die fressen, die nicht mit der Zeit gehen.

Und mit der Zeit gehen, heißt die digitalen Business Transformation anzugehen. Die Arbeitnehmer/innen sind ökonomisch Gegenstand des Umbaus, des Abbaus ihrer bisherigen Rechte und sie sollen es neu werden, aber auf einer anderen inhaltlichen Grundlage, nicht mehr mit Tarifverträgen, weniger mit der Inanspruchnahme von Rechten und im Glauben des richtigen Vorgehens der Verlagsgruppen bzw. ihrer Manager. Der Einfluss der Gewerkschaften, die institutionelle Macht der Betriebsräte wird weiter an den Rand gedrückt, selbst wenn die rechtlichen Möglichkeiten von ihnen noch relativ hoch sind. Das politische Umfeld, bedingt durch den ökonomische Umbruch im Zeitungsmarkt, ändert sich gravierend. Hierüber gibt es noch keine seriöse Analyse, aber am Beispiel des gewerkschaftlichen Organisationsgrades von Betriebsräten in unseren Branchen dürften diese Veränderungen sichtbar werden. Leider ist meine Organisation selbst zu diesen Analyse nicht in der Lage.

Schaut man sich die jüngsten Abwehrauseinandersetzungen in den Printmedien an, so bleiben sie lokal, eine Erfahrungsvermittlung und Verankerung in der eigenen Organisation findet kaum bis gar nicht statt. Gegenwehr gegen den Abbau von Stellen und die Reorganisation der Unternehmensprozesse zu Lasten der Arbeitnehmer/innen findet immer wieder und überall statt. In der Regel über die betriebliche Interessenvertretung, weniger mit den Gewerkschaften. Eine Strategie, sich zu wehren, um sich auch in dem Gesamtprozess des Umbruchs organisiert zu gehen, findet nur vereinzelt statt. Es ist fast nachvollziehbar, dass betriebliche Interessenvertretungen nur an ihre betriebliche Situation denken und darauf gezielt handeln. Bei der Gewerkschaftsbewegung möchte man meinen, dass sie nicht vom Betrieb auf die Dinge schauen müssten, sie könnten anders handeln. Sie wären dazu in der Lage, den Umbruch zu sehen und daraus wenigstens abstrakt ihre Aufgaben bzw. allgemeinen Ziele zu formulieren. Für sie könnten die betrieblichen Konflikte der Anlass sein, die bisherigen Schlussfolgerungen zu überprüfen und die Praxis zu ändern. Auf dem „obersten“ Delegierten-Treffen von ver.di für die Printmedien ging es mehr um die Zukunft der Bildungsstätte in Lage-Hörste oder ein verkleinerten Bundesvorstand, als um die (Neu)Formierung im Umbruch.

Die Konsolidierung im Tiefdruck bedeutete für die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung eine Zäsur historischen Ausmaßes. Im Akzidenzdruck war dies bereits ab den 1990 Jahren der Fall. Geblieben ist der Zeitungsdruck, der aber gerade einmal einige tausend Beschäftigte umfasst, in dem auch kräftig umstrukturiert wird. Im Zeitungsdruck gibt es ebenfalls einen Konsolidierungsprozess. Die Durchsetzungsmacht von ver.di geht hier zurück. So sehr einem die Tarifrunde der Redakteure/innen gefallen hat, man kann nicht davon sprechen, dass man irgendwelche strategischen Ziele verfolgt, die sich auf die möglichen Folgen der Konsolidierung ausrichten und einen Prozess der Neuformierung unter den Bedingungen der digitalen Transformation einleuten. Vielmehr hat man es mit Diskussionen zu tun, die völlig die Frage der Kraft der Organisation aus dem Blickwinkel verlieren. Es geht nicht mehr darum, was in den Tarifverträgen steht, sondern darum, ob wir eine Strategie haben, im Umbruch und der Neuorganisation redaktioneller Prozesse, Menschen zu binden für anfassbare gewerkschaftliche. Weder bemüht sich verdi um Erfahrungs- und Wissensaustausch, noch nutzt man die Lage, um auf neue Momente in den Entwicklungsprozessen hinzuweisen. Zwar wird immer erwidert, es gebe die Seminare. Sie ersetzen keine Analyse und wär es so, wir wären heute anders aufgestellt, weil es diese Seminare für Zeitungsverlage schon seit Jahren gibt.

In den betrieblichen Auseinandersetzungen im Umbruch geht es ganz praktisch um Gegenwehr, die Sichtbarkeit der Belegschaften zusammen mit den Gewerkschaften. Die Gegenwehr umfasst verschiedene Formen, von Unterschriftenaktionen, über Aktionstage bis hin zur Form des Streiks u.a.m. In den Auseinandersetzungen der Belegschaften der Madsack Mediengruppe gab es zentrale Aktionstage und betriebliche Aktionstage. Bei der Mediengruppe M. DuMont Schauberg in Köln waren es öffentliche Aktionen in der Stadt sowie regelmäßige Aktionen vor dem Unternehmen, aber auch die Gewerkschaft am Verhandlungstisch um den Interessenausgleich und Sozialplan. Im Berliner Verlag und der Hamburger Morgenpost ging und geht es, mit eigenen Sozial-Tarifforderungen bis hin zu Streiks, Flagge zu zeigen. Es bleibt die Frage, stellt man sich auf den eigentlich laufenden Prozess, also die Restrukturierung ein oder geht man darüber hinaus, handelt mit dem Blick auf die Zukunft der Arbeitsverhältnisse? Diese Frage muss heute jeder Betriebsrat in den Printmedien beantworten und seinen Weg bestimmen. Für die Gewerkschaftsbewegung stellt die Antwort auf diese Frage ihre Zukunft dar: verliert sie nach der Wirkung durch den Flächentarifvertrag auch noch ihre betriebliche Struktur.

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