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Holger Artus

ver.di Hamburg auf dem Weg zur Desorientierung

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Mit der Entscheidung des ver.di-Landesleiter in Hamburg, eine PR-Veranstaltung gegen die Wiederherstellung öffentliche Strom- und Gasnetze am 30.08.2013 zu unterstützen, ist ein alter Konflikt aufgebrochen, wie sich die Vielfalt in ver.di zu strittigen Themen formiert und regelt. Klar ist: Die Atomkonzerne wollen kein öffentliches Strom- und Gasnetze, sie wollen eine profitorientierte Strategie statt öffentliche Daseinsvorsorge. Klar ist: Als ver.di wollen wir eine Restrukturierung gesellschaftlicher Prozesse, hin auch zu Stärkung der öffentlichen Hand.

Der „Privatisierungsweg“ der politischen Parteien ab den 1990er Jahre auf Haushaltssituationen war Teil einer Entwicklung hin zu einer Ausrichtung, die sich an den Renditen am Aktienmarkt ausrichtet hat. Mit den beiden Großen Krisen (2001/2003 und 2007/2009) hat die finanzmarktorientierte Ausrichtung die gesamte Welt an den Abgrund gefahren. Nur mir Billionen Euros/Dollars wurden die Banken gerettet, heute heißt diese Politk Schuldenbremse und EU-Krise. Auf diesem Ticket der angeblichen Bekämpfung von Schulden werden heute in Europa die gesamten sozialstaatlichen Errungenschaft geschlachtet. Heute geht es darum, eine demokratische Alternative zu einem Kurs der neoliberalen Ausrichtung in allen Politikfelder zu suchen und dafür Menschen zu formieren. Für die Gewerkschaftsbewegung von existenzieller Bedeutung, da mit dem Instrument der Tarifpolitik (Umverteilung) politische Fragen der Reichtumsverteilung nicht alleine gekontert werden können. Dazu bedarf es Verbündeter, dazu bedarf es Volksbewegungen, die sich über die Debatten und Taten einmischen.

An der Seite der Atomlobby?

ver.di Hamburg ist in einer schwierigen Situation bei der Abstimmung am 22.09.2013 über die Wiederherstellung öffentlicher Strom- und Gasnetze. Die Betriebsräte in den regionalen Energiekonzernen von eon Hanse und Vattenvall sind dagegen. Sie positionieren sich in Teilen sehr differenziert. Eine Positionierung für die Stärkung der Öffentlichen Hand wird man z.B. vom Betriebsrat der eon Hanse kaum hören. Hier besteht die Sorge, dass durch die Überführung der Teile des Gasnetze in die öffentliche Hand, die Arbeitsplätze bei eon Hanse abgebaut werden, es sich auf die Auszubildenden und Förderung lernschwacher Jugendlicher auswirken wird – bis hin zu Finanzierung des Betriebssports. Es ist davon auszugehen, dass auch die Beschäftigten der Angstpropaganda des Atom- und Energiekonzerns folgen und gegen die Wiederherstellung der öffentlichen Netze sind. ver.di selber tritt für eine Politik der Rekommunalisierung ein und engagiert sich in der Praxis dafür.

Das Argument von der Arbeitsplatzgefährdung ist ein instrumentalisiertes

Zwar werden weltweit wegen der gesamten Rahmenbedingungen und der Konkurrenzauseinandersetzung in der Energiepolitik tausende Arbeitsplätze auch bei eon abgebaut, aber da dass sozialverträglich ist, scheinbar nicht so schlimm. In den Gesprächen mit den Betriebsräten aus der Energiewirtschaft habe ich immer wieder deutlich gemacht, dass wir ein traditionelles Werkzeug haben, um einen Arbeitsplatzabbau zu „bewerkstelligen“, sprich Sozialtarifvertragsforderungen und im Zweifel Arbeitskampf für unsere Ziele. Im konkreten geht es um einen komplexen Prozess, der verschiedene Bezugspunkte habe, im Kern in der künftigen Energiepolitik, so dass ich die Linie der IGM für eine nationalen Energiepolitik richtig finde. Es den betrieblichen Akteure zu überlassen, ist aber grob fahrlässig, weil diese allein aus der Dimenssion des Problem überfordert wären. Diesen örtlichen bzw. regionalen Restrukturierungsptozess alleine mit betrieblichen Mitteln dürfte aber zu kurz greifen. In Hamburg sind darüber hinaus alle Rahmenbedingungen vorhanden, die Politik zu binden, wenn es um einen grundlegenden Wandel in der Politik ginge, zu dem die Arbeitsplätze der Beschäftigten auch in der Energiewirtschaft gehören. Sich hinter dem Betriebsproblem zu verstecken, sei aber nicht lauter. Die Initiative „Unser Hamburg, Unsere Netze“ hat sich klar zur Zukunftssicherung der Arbeitsplätze und an die Seite der dortigen Arbeitnehmer gestellt. Allerdings gibt es interessierte Kreise, die insbesondere diese klare Haltung versuchen zu diffamieren, leider auch aus ver.di-Kreisen.

Mehrheit der ver.di-Mitglieder wird für öffentliche Strom- und Gasnetze sein

Man muss davon ausgehen, dass die Mehrheit in ver.di Hamburg bei einer Abstimmung für die Wiederherstellung der öffentlichen Strom- und Gasnetze votieren werden. Wenn 58 Prozent der Hamburger dafür sind, dann werden es in ver.di große Mehrheiten sein. Als Gewerkschafter/in in Hamburg haben wir uns gegen die Privatisierung der Krankenhäuser, von HeinGAS und der HEW gestellt, haben eine Kampagne 2011 organisiert, dass es zu keiner weiteren Privatisierung in der Stadt kommt. In der EU-Bewegung gegen die EU-Richtlinie zur Lizenzvergabe wurden hier die meisten Unterschriften in der Bundesrepublik gesammelt.

Es gibt keinen Streit bei der Forderung nach einer Strategie der Rekommunalisierung

Die Strategie der Rekommunalisierung ist eine der Forderungen von ver.di, um die öffentliche Hand zu stärken, um auch zu verhindern, dass es weitere Privatisierung gibt. Das ist in der Hauptsache nicht strittig. Der Streit kommt, wenn es konkret wird, wenn Arbeitnehmer/innen von gewerkschaftlichen Forderungen unmittelbar betroffen sind. Als Gewerkschafter/innen sind wir gegen den Krieg, wenn es aber darum geht, dass die Bundeswehr nichts in den Schulen zu suchen hat, ergreifen die Kolleginnen und Kollegen in der Bundeswehr das Wort, sind dagegen. Wenn ver.di-Verantwortliche zu einer neuen Zeitung in Hamburg aufrufen, so führt es in den Zeitungen zu Debatten, wo wir Mitglieder haben und es kostet Austritte. Die Verantwortlichen in ver.di Hamburg sind bemüht, eine billige Argumentation zu bedienen, dass es sich um einen Konflikt gehört, den man nicht lösen kann. Das ist natürlich komplett unpolitisch und eine Instrumentalisierung in der gesellschaftlichen Debatte. Im konkreten verhalten sie sich aber auch gegen ihre eigene Argumentation, man kann die Gegensätzlichkeit in ver.di Hamburg nicht lösen – dadurch, das sie sich ohne Beschlusslage dafür positionieren.

Vorstandsbeschluss zum Herangehen an Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze nicht umgesetzt

Statt die bisherige Geschäftsgrundlage beizubehalten, das die Frage der „Abstimmung am 22.092013“ auf Ebene der 13 Fachbereiche zu behandeln, deren Haltung und deren Sache ist, verlässt die ver.di-Landesleitung diese. Mehr noch, man handelt auch noch gegen die eigene Beschlusslage. Der ver.di Vorstand in Hamburg hatte im März 2012 beschlossen, dass die ver.di Landesleitung Veranstaltungen zum Thema der Wiederherstellung der öffentlichen Strom und Gasnetze organisiert und die Haltung über diese Frage bis zum Jahresende 2012 in den Fachbereichen geklärt wird. Der Fachbereich Telekommunikation z. B. hatte einen unterstützenden Beschluss getroffen, andere Fachbereiche auch. Auf die Frage einer Fachbereichsleiterin in der Sitzung, warum wir überhaupt dieses Thema in ver.di im März 2012 besprechen müssen, habe ich gesagt, dass wir am 22.09.2013 eine Abstimmung haben und wir unseren Mitgliedern doch ein Bild vermitteln müssen, wo für wir sind als ver.di in Hamburg. Die Meinung des Fachbereichs Versorgung wird nicht die Meinung der ver.di-Mitglieder sein. Der Beschluss wurde aus meiner Erinnerung einmütig gefasst, von den Verantwortlichen aber nicht umgesetzt (was ich gut kenne, es war eine übliche Praxis). Jetzt wird auch noch diese Linie verlassen, es auf Ebene der Fachbereiche zu belassen. Damit ist Sprengstoff angesagt, denn es geht um eine inhaltliche Debatte, die zu führen Auftrag war und wo jetzt politisch Verantwortliche in ver.di versuchen, sich nicht zum Inhalt zu verhalten, sondern Verbündende beschimpfen. Beim Streit um das Betriebsräte-Seminar am 30. August 2013 handelt es sich um keinen Streit um Formen, hier lässt sich die Gewerkschaftsführung vor den Karren der Hamburger SPD spannen, sie opfert – wie so häufig – ihre Autonomie.

Führungsschwäche hat auch immer was mit Demokratie zu tun

Egal, wie die Abstimmung am 22.09. zu den Netzen ausgeht, eine Mehrheit in ver.di wird dafür stimmen. Die politische Leitung in Hamburg erweist sich aus unfähig, eine eigene Strategie im Interessen der gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung zu verfolgen. Dieses Haltung muss zwangsläufig dazu führen, dass es in ver.di Hamburg wieder zu einem Prozess der Schwächung der Leitungsarbeit kommen wird, bis hin zu einer Führungskrise. Das hat etwas mit Personen zu tun, hat aber auch etwas mit der Vielfalt in ver.di, die wir aus diversen Bereichen der Hamburger Wirtschaft kommen. Hamburg ist eine Dienstleistungsstadt, ver.di Hamburg muss eine Politik für die Menschen diese Dienstleistungsstadt mitentwickelt, sich klar gegen Deindustralisierung ausprechen und handeln, ein Konzept für eine Beschäftigungspolitik entwickeln, die Arbeit schafft. Es hat dazu in der Vergangenheit immer wieder Ansätze gegeben, die aber seit der SPD in der Regierung nur schwer zu realisieren sind, schließlich will man den Genossen keine Problem bereiten in der Regierungsarbeit. Hamburg ist eine Stadt der Jugend, die Jugend will z.B. den Atommist nicht, will nicht, dass die Konzerne zu den alleinigen Gestaltern der gesellschaftlichen Prozesse werden. Ob es den vernatwortlichen Funktionären wirklich egal, wie die Jugend tickt, wie sie uns als die Hamburger Gewerkschaft wahrnimmt? An der Seite der Atomlobby werden wir auch künftig es schwer haben, unseren Einfluss in diesem Bereich zu stärken.

Auch nach 22. September bleibt der Druck auf Verantwortlichen bestehen – es geht um Glaubwürdigkeit und Bindungsfähigkeit von ver.di

Trotz der Beschlusslage, dass wir eine Bündnispolitik in Hamburg entwickeln, die Bündnisse tragfähig macht, ohne das die spezifische gewerkschaftliche Sichtweise zu den Themen verschwindet oder verwischt wird, kacheln ver.di Funktionäre öffentlich dagegen. Ohne Partner/innen in Bewegungen sind auch gewerkschaftliche Ziele nicht zu erreichen. Auch gegen die Beschlusslage zur Bündnisarbeit in Hamburg von ver.di handeln die Verantwortlichen. Sie wissen einfach nicht, wie sie eigenständig mit dem Konflikt umgehen sollen. Dabei riskieren sie viel, denn es geht nach dem 22.09. weiter, weiter aus den allgemeinen Themen, die uns durch die Politik und Unternehmen gestellt werden, aber auch den konkreten in Hamburg. Verlorene Glaubwürdigkeit und Bindungsfähigkeit wirkt allgemein, sei es in den Köpfen, in kommenden Aktivitäten, aber sie wirkt und das Bild, dass die politische Verantwortlichen in ver.di nicht an einer Lösung eines ernsten Problems sich seriös beteiligt haben, wird Folgen an sich haben. Welch Verbündete hat man sich da geschaffen, am Ende wird man das bitter zu spüren bekommen. Das Bild von uns an der Seite der Atomlobby, das klebt und prägt, ein gewerkschaftliches Profil ist nicht erkennbar. Eine moralisch schlimme Situation, die sich nur durch mangelnde Demokratie erklären lässt.

ver.di-Beschluss vom 19. März 2012

Beiliegend der Beschluss des Vorstandes, ausgehend von meinen Antrag auf der ver.di Vorstandssitzung am 19.03.2012. Die Streichungen sind die Änderungen aus der Diskussion, die aber genau die Linie zum Inhalt hatten, in den Fachbereichen klären und auf Landesebene Diskussionsangebote zu machen. Den Punkt, dass die Netze zum Thema auf der außerordentliche Landesbezirkskonferenz wird, habe ich fallen gelassen, damit es eine einmütige Wahl von Wolfgang Abel geben sollte. Er hat das aber nicht verstanden und ich habe eine Fehler gemacht.

Beschluss:

1. Der ver.di LandesbezirksvorstandHamburg beschließt, das Anliegen der Initiative „UnserHamburg, UnsereNetz“nach der 100prozentigen Übernahme der Netze politisch zu nterstützen. Bis zur außerordentlichen Landesbezirkskonferenz am 15.06.2012 Es werden verschiedene Diskussionsveranstaltungen organisiert:

Rekommunalisierung als Grundstrategie von ver.di für eine demokratischen Dienstleistungspolitik,

der gewerkschaftliche Beitrag von ver.di zu einer sozial-ökologischen Wende in der Energiepolitik,

Betriebspolitische Interessenlage vs. Gewerkschaftliche Erfahrungen zur Beschäftigungssicherung in Umbruchsituationen 

Gewerkschaftliche Überlegungen zur Demokratisierung Wirtschaft von der erweiterten Unternehmensmitbestimmung, Staat als Akteur und Eigentumsformen.

3. Auf der außerordentlichen Landesbezirkskonferenz am 15.06.2012 wird über die Diskussionsveranstaltungen berichtet  und die Konferenz entscheidet, ob das Thema weiter diskutiert werden soll.

Der Landesbezirksvorstand fordert die Fachbereiche bis Ende 2012 auf, sich auf ihren Sitzungen eine Meinung zu dem Thema der politischen Unterstützung „Unsere Netze …“ zu bilden. Zusammen mit den Diskussionsveranstaltungen, den Fachbereichsvorstandsdiskussionen und der Option auf der Landesbezirkskonferenz, wird die Möglichkeit eines breiten Konsens geschaffen.

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