Ansichten

Holger Artus

Tschüss, liebe Kolleginnen und Kollegen der Frankfurter Rundschau

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Die Würfel sind gefallen, die FR wird an die FAZ verkauft. Als MOPO-Betriebsrat haben wir uns wiederholt zu diesem Vorgang geäußert, da wir uns nicht daran erinnern können, dass eine große Zeitungsgruppe den Weg der Insolvenz geht, um einen Titel zu veräußern. Wir haben nie einen Hehl aus unserer Meinung gemacht, dass man bei MDS seit Mitte letzten Jahres versucht hatte, die FR zu verkaufen. 

Das Kartellamt hat dem FR-Verkauf an die FAZ zugestimmt und mit der Überweisung des Verkaufspreises dürfte der Wechsel vollzogen werden. 28 von rund insgesamt 500 (?) Arbeitnehmer/innen in der FR und deren Töchter am Standort werden in eine FAZ-Gesellschaft wechseln, der Rest der FR-Belegschaft geht jetzt schrittweise in eine Transfergesellschaft, zu Ende Februar sollen es 340 Arbeitnehmer sein. Voraussichtlich Ende Mai werden in der Druckerei die Lichter ausgehen, so lange wird der Betrieb aufrecht erhalten. Im Prinzip gehen diese Tage 53 Jahren einer eigenständigen überregionalen Zeitungsgeschichte zu Ende. Selbst wenn die FR als Titel fortbesteht, es wird am Ende nicht mehr die FR sein, die bisher die bundesdeutsche Zeitungslandschaft belebt hat. 

In den letzten Wochen haben wir uns auf die Arbeitnehmer/innen der FR konzentriert, die eben nicht von der FAZ übernommen werden sollten. Unser Anliegen war, dass ihnen eine finanzielle Perspektive angeboten wird, die den Verlust des Arbeitsplatzes etwas mindert und die Möglichkeiten für die Zukunft besser gestaltet. Der offene Brief zusammen mit den anderen MDS-Betriebsräten zur Vorfinanzierung eines Insolvenzsozialplans, war eine unserer Aktivitäten. Hier ging es darum, dass dieser Betrag nicht erst nach Jahren, sondern zeitnah im Zusammenhang der Kündigung ausgezahlt wird. Der Vorstand von MDS hat nach Angaben von ver.di diese Forderung abgelehnt. Wir wissen um die riesigen Summen, die MDS in die FR gesteckt hat, aber am Ende finden wir das Verhalten des MDS-Vorstandes herzlos.

Wir haben seit Sommer letzten Jahres auf die FR geguckt, immer auch mit einem Blick auf uns selber. Zum einen wollen wir nicht vergessen, dass die dd_vg 1979 die Einstellung der MOPO (ohne Insolvenz) beschlossen hatte und damals nur 50 Leute überlebt hatten. Aber auch, da wir die Zeitung im MDS-Verbund sind, die die schwierigsten Rahmenbedingungen hat. Wir sind uns sicher, wenn wir Probleme bekommen sollten, man in Köln die freundlichen Worte für uns verliert. Der 16-seitige Bericht von Joachim Türk dient dem Zweck des Personalabbaus bei uns in der Redaktion, ein möglicher Stellenabbau deren Auftraggeber in Köln sitzt – ohne wirtschaftliche Not.

Wir haben uns aus innerer Haltung um das Schicksal der FR-Kolleginnen und Kollegen bemüht, weil wir nicht gleichgültig sind und auch nicht werden. Haben uns mit unseren eigenen Möglichkeiten eingemischt und versucht zu helfen. Mal laut, manchmal leise. Dabei haben wir immer einen roten Faden gehabt. Es gab Alternativen zur Insolvenz, davon sind wir überzeugt. MDS und die dd_vg wollten diese Kraft nicht mehr aufbringen. 

In Frankfurt wird eine frustrierte und enttäuschte Belegschaft zurück bleiben. Die letzten Wochen sind alles andere als ein guter Blick in ihre Zukunft gewesen. Dennoch wollen wir von hier aus nach Frankfurt rufen: Ihr habt eine tolle Zeitung gemacht, als Drucker, als Redakteur, im Anzeigenverkauf, im Vertrieb oder im Service. Was in Erinnerung bleibt, ist eine FR, die sich eingemischt hat. Der Ruf bleibt und daran wollen wir uns gerne erinnern. Durch euch als Arbeitnehmer war das möglich.

FR-Krise das Ergebnis einer unerwarteten Entwicklung?

In der letzten Ausgabe von mds intern aus dem Januar 2013 wird sich mit der Insolvenz der Frankfurter Rundschau beschäftigt. Der Insolvenzantrag wird mit der Wucht der aktuellen Entwicklungen im Zeitungs-markt begründet. Hinzu sei der unerwartete Anzeigenrückgang gekommen. Bei einem Anzeigenrückgang in der FR von 2006 – 2010 von 35 % davon zu sprechen, dass man von der Dimension keine Vorstellung hatte, dürfte nicht zutreffend sein. Auf dem Neujahrstreff der MDS-Führungskräfte 2013 wird sogar davon gesprochen, dass man die Marktentwicklung nicht vorher sehen konnte. Wir haben uns die Bilanzen der FR über die letzten fünf Jahre angesehen und möchten auf ein zentrales Problem aufmerksam machen, dass der vollmündigen Erklärungen und sich mit jedem Jahr wiederholenden falschen Einschätzung der Markt- und Unternehmenslage, so unsere Meinung.  

2006: Mit neuem Gesellschafter kommt frisches Geld in die FR

Am 17. Juni 2006 steigt DuMont Schauberg mit 50 Prozent der Anteile und einer Stimme in die Frankfurter Rundschau ein. Im August 2006 wurde eine „Offensive 2008“ beschlossen. Ziel ist, 2009 ein operativ positives Ergebnis zu schreiben. Der Verlust 2006 beträgt – 15,6 Mio. €. Für 2007 rechnet man insgesamt mit einem Verlust von –  9,7 Mio. €, 2008 mit – 8,9 Mio. €. 

2007: In Erwartung steigender Vertriebsumsätze und Online-Umsätzen

2007 erscheint die FR im Tabloid-Format. Erwartet wurde, dass es mit Tabloid-Ausgabe  „zur Steigerung der Vertriebserlöse“ kommt.  Der Vertriebsumsatz bleibt nicht stabil,  geht um 2,0 Prozent zurück. Die Anzeigenerlöse gehen um 1,1 Prozent zurück. Das Ergebnis 2007 landet – 17,5 Mio. €  (Plan – 9,7 Mio. €). Die mittelfristige Planung wird überarbeitet. Statt – 8,9 Mio. € für 2008 rechnet man jetzt mit einem Verlust von – 11,8 Mio. €. 2009 soll der Verlust auf – 3,3 Mio. € reduzieren werden.

2008: Die große Weltwirtschaftskrise durchkreuzt Planungen

Der Vertriebsumsatz sinkt um 1 Prozent. Die Anzeigenumsätze gehen laut Bilanz um -3,8 Prozent zurück, eine Folge der Weltwirtschaftskrise. Am Ende des Jahres  realisiert man einen Verlust von – 16,7 Mio. € (Plan – 11,8 Mio. €). Für 2009 rechnet man mit einem Verlust von – 12 Mio. €, 2010 will man dann bei sei mit einem Verlust  – 5 Mio. € erreichen. 

2009: Alles nur Gerede – von wegen Trendwende

Die Vertriebsumsätze sind wieder gesunken. 2009 sinken auch noch die Online-Erlöse gesunken (von 1,3 Mio. auf 1,1 Mio. €). Rezessionsbedingt sind die Anzeigenumsätze – 20,3 Prozent gesunken, geplant waren – 4,4 Prozent (in einer Weltwirtschaftskrise!). Das Ergebnis 2009 landet bei – 24,1 Mio. € (Plan – 12 Mio. €). Die Ziel der „Offensive 2008“,  schwarzen Zahlen 2009 im operativen Geschäft zu erreichen, sind Schnee von gestern. 

2010: Man plant wider der Erfahrung weiterhin auf eine baldige „schwarze Null“

Das Ergebnis 2010 landet bei – 18,3 Mio. €. Die Vertriebsumsätze sind weiter um 2,5 Prozent zurück-gegangen. Die Anzeigen gehen um – 8,8 Prozent zurück. Für 2011 rechnet man mit einem Rückgang der Anzeigenumsätze um – 3%, 2012 sollen es – 1 % sein. 2011 soll der Verlust bei – 15,8 Mio. € landen. 2012 kommt die Wende und man erreicht  die schwarze Null mit – 1,5 Mio. €.

2011/2012: Alles wird gut, wenn man es nur plant

Für 2011 und 2012 liegen die Zahlen nicht vor bzw. sind noch nicht publiziert worden. Für 2011 wird ein Verlust von – 16,4 Mio. € gehandelt.  In einem Gespräch mit der FAZ im Mai 2012 prahlt FR-Geschäftsführer Kroke: „Die Verluste – rein auf das Produkt Frankfurter Rundschau gerechnet – … könnten im laufenden Jahr vielleicht auf vier Millionen halbiert werden. Anlass zum Optimismus gäben die Zahlen für die ersten vier Monate 2012.“ 

Sieht man die publizierten Zahlen, kann man sagen, dass die beiden Gesellschafter keine wirkliche Vision von der Zukunft der FR hatten und damit über erforderliche Ziele verfügten. Man plante, machte, verbrannte Geld, aber mit einer realistischen Perspektive hatte das weniger zu tun. Damit reihen wir uns nicht ein in die Front derer, die sagen, Managementfehler haben die FR-Krise verursacht. Es ist für Unternehmenskrise eben bezeichnet, dass sie keine Visionen für die Zukunft hatten, auf denen die Strategie der FR basierte. Die Marktentwicklung und unsere Reflektion der Bilanzen verdeutlichen uns das. 

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