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Holger Artus

Nach der Abstimmung in den Tiefdruckereien in der schlott gruppe

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Diesmal ist die Abstimmung in der schlott gruppe um die Annahme einer Gehaltskürzung bei Jahresleistung und Urlaubsgeld auf 20 % unter den ver.di-Mitglieder durch gewunken worden. Zum Februar 2011 kann der Konzerntarifvertrag gekündigt werden, wenn der geplante (Wertschöpfungs)Umsatz um 2,5 Prozent unter der Planung ist. Ansonsten gibt es 2011 30 % und 2012 35 % Jahresleistung und Urlaubsgeld. Im Gegenzug soll es eine Beschäftigungssicherung geben (aber nur auf dem Papier). Das danach wieder Milch und Honig in der schlott gruppe fließen soll, dürfte keiner unter den Beschäftigten glauben.

Eher wird erwartet, das die Unternehmensziele, bis 9/2012 wieder schwarze zahlen zu schreiben, nicht erreicht werden; es 2011 zur Kündigung des Tarifvertrages und einem weiteren Stellenabbau kommen kann. Der Stellenabbau dürfte an den einzelnen Standorten trotz Ausschluss durch den Tarifvertrag vermutlich fortgeführt werden. In der ver.di-Zentrale wird man den bisherigen Weg seit Juni 2009 nicht bilanzieren, um für das weitere Vorgehen Schlussfolgerungen zu ziehen. Auf meine entsprechende Frage letzte Woche gab es Achselzucken.

Dort dürfte man froh sein, den Druck der Beschäftigten und des Unternehmens zeitweilig nicht mehr zu hören, ansonsten lieber nichts tun. Zumindest führt das zu keiner neuen Baustelle. Selbst in der jetzigen Phase hat sich ver.di nicht überlegt, sich neu zu sammeln. Spatens mit der Kündigung des Manteltarifvertrages zum 3.03.2011 ist eine grundlegend neue Situation auch im Tiefdruck entstanden. Noch sind die Druckunternehmen nicht ganz am Ziel, das es grundsätzlich keine Jahresleistung und Urlaubsgeld mehr gibt. 2011 wollen sie noch den Effekt bei den MTV Verhandlungen mitnehmen, danach dürfte es eine Flächentarifvertrag nicht mehr in seiner Kernwirkung über die Fläche im Tiefdruck geben, auch wenn es jetzt noch reine Spekulation ist. Es gibt dann auf Sicht nur noch Betriebstarifverträge oder eben keine. Die Arbeitsbeziehungen werden durch die Unternehmensziele für den einzelnen Betrieb im Rahmen deren Gesamtstrategie bestimmt. Entweder sind die Betriebsräte Teil dieser Strategie oder die Gewerkschaft übernehmen diese Funktion. Allerdings sind sie dann ein zahnloser Tiger, sie regulieren nichts mehr, weil sie selber den Teil der Belegschaft disziplinieren dürften, die für eine eigenständige Arbeitspolitik stehen. Bereits in der vergangenen Phase war diese Tendenz erkennbar. Die Unternehmensphilosophie der Tiefdruckunternehmen sind antigewerkschaftlich, die Trägerschaft werden irgendwann die Belegschaften sein. Wir werden sie, ob diese Sichtweise auf die kommenden Prozesse zutreffen wird.

Das Vorgehen von ver.di seit September 2009 in der schlott gruppe war nicht gezeichnet durch eigene Positionen, sondern Anpassung an die Unternehmensziele. Statt Formierung und Gegenwehr, um eigene Positionen einzubringen, wurde darauf gesetzt, die Argumentation des Arbeitgebers zu dessen Krisenreflektion 1:1 an die Beschäftigten weiter zu reichen. Dabei sei unterstellt, das es nicht in Kumpanei erfolgte, vermutlich eher aus Hilflosigkeit. Die schlott Krise war auf ver.di Seiten stark durch betriebliches Vorgehen gekennzeichnet, nicht aber durch ein strategisches Herangehen. Der Ansatz des unblutiges Personalabbaus im Tiefdruck durch Gespräche mit den Arbeitgebern auf europäischer Ebene erweist sich als Fehler. In einer Situation, wo Überakkumulation des Kapitals die Krise (auch im Tiefdruck) verschärft, auf ein Bündnis mit den Arbeitgebern zusetzen, ist inhaltlich falsch. In so einer Situation ist die Stärkung der Gegenmachtrolle der Gewerkschaftsbewegung angesagt. Statt auf ein einheitliches Abwehrkonzept zu entwickeln, setzte man bewusst darauf, das überbetriebliche Strategien verhindert wurden. Im Prinzip waren im letzten Jahr fast alle tarifgebundenen Tiefdruckunternehmen in einer offenen betrieblichen Tarifsituationen bzw. die Tiefdruckerei der Bauer Media Group vor der Schließung. Doch in der Berliner ver.di Zentrale war man nicht bereit, auf abgestimmte Aktivitäten und ein strategisches Konzept zu setzen.

Über das Motiv kann man nur spekulieren, das Vorgehen war falsch. Dies kann man auch daran sehen, das der betriebliche Tarifteppich größer geworden sind. Bei Prinovis Ahrensburg wurde eine Beschäftigungssicherung mit der Einführung von Leiharbeit im Facharbeiterbereich verknüpft, angeblich nur für den Bereich der Planungsüberschreitung. Bei der schlott gruppe wurde zum zweiten Mal eine Öffnungsklausel vereinbart, die sich diesmal am Umsatz orientiert. Beim ersten Mal war es der Rohertrag, vorher wurden 350 Leute rausgeschmissen. Es handelt sich formal nicht mal mehr um eine Regelung nach den Sanierungsparagraphen des MTV. Es wird immer mehr zur Regel, das Unternehmen Öffnungsklauseln in Sanierungstarifverträge verankern, ohne das dies dem Zweck der Regelung entspricht.

Der Umgang mit Branchen- und Wirtschaftsdaten bzw. deren Bewertung im Rahmen dieser Auseinandersetzung ist fragwürdig. Zu Beginn des Konfliktes sprach man von einem Wirtschaftsproblem der Gruppe und argumentieren gegen die Finanzierungskrise. Operatives Ergebnis war die Übernahme der Unternehmensargumentation gegen über den Anlegern, nicht aber das hinterfragen dieser, um für eine eigenständige zu sorgen. Zur Meinungsbildung wurden Bewertungen unterschlagen, mit dem Hinweis auf das Aktienrecht. Ein Blick in Quartalsberichte und andere öffentlich zugängliche Dokumente hätten Argumente für Gegenbewegung geliefert. In Berlin gab man sich als Gralshüter von Informationen über die Fremdfinanzierung der Gruppe aus, die öffentlich zugänglich waren. Fakten zur innergewerkschaftlichen Meinungsbildung kamen Schritt für Schritt raus, die Zentrale wollte sie nicht rausrücken oder täuschte Wissen vor, um nicht schlecht dar zu stehen. Der Eindruck entstand, das man nicht die Deutungshoheit verlieren wollte, um sein Konzept der Anpassung durchzusetzen. Erst mit der Neuausgabe von schlott-Aktien Ende 2009 kam es zu einer Korrektur in der offiziellen Argumentation von ver.di. Das Unternehmen hatte im Risikobericht die Hosen sehr klar runtergelassen.

Zu keinem Zeitpunkt gab es aus Berlin den Versuch, alternative Vorstellungen zu dem Kurs der Banken zu beraten. Dabei wäre diese Debatte wichtig und richtig gewesen. Zur Aufklärung der Belegschaften und im Zweifel zur Mobilisierung der Belegschaften dafür. Ganz klar: die Lage der schlott gruppe ist ernst und es kann sein, das alle Versuche auf Kapitalseite scheitern. Aber es sind eben genau nicht die Arbeitskosten, die daran schuld sind oder wären. Der Vorstand scheint das Wachstum der Gruppe nach den Zukäufen nicht ordentlich konsolidiert zu haben. Biegelaar wurden gekauft, wo die Finanzierungskrise schon absehbar gewesen wäre. Alle danach verkauften Bereiche würden jedenfalls für diese Thesen sprechen. Die Banken und Gesellschafter wollen ihre Einlagen sichern, sie haben auf die Wachstums- und Konsolidierungsstrategie am Tiefdruckmarkt des Vorstandes gesetzt, der nicht mehr zu finanzieren war. In ver.di nicht über Alternativen zu reden, hat dazu geführt, das man unter Anpassungsdruck stand, aber eben der Banken und Gesellschafter. Der Vorwurf in dieser Debatte war, man gefährde das Unternehmen und damit die Arbeitsplätze. Das war so billig wie falsch. Verwiesen sei hier an die öffentlichen Fehden bei der Opel AG um dessen Zukunft und die Kampfansagen vom GBR wie der IGM. Gerade weil Banken und Gesellschafter ihre Coupons auch künftig abschneiden wollen. Es gab noch nicht mal eine Führungskrise um den Vorstandsvorsitzenden in solch einer kritischen Situation. Selbst mit Blick auf den Marktführer muss man sagen, das bestimmte Aktionen von ver.di den sogar in eine noch komfortablere Situation setzen und wenig mit Blick auf den Markt zu tun hatten.

Diesmal wurde in der schlott gruppe im Unterschied zum Juni 2009 verhindert, das ver.di sich für Tage mit dem Vorstand hinsetzt und dann mit dem Argument der Existenzsicherung den Beschäftigten Kündigungen und Einkommensverzicht abnötigte. Diesmal wurde mehr auf Mitgliederbeteiligung gesetzt, nicht erst am Ende einer Vereinbarung, sondern im laufenden Prozess. Die erste Ablehnung Ende Mai 2010 war eine Backpfeife für Verdi-Vize Frank Werneke. Das jetzige Ergebnis ruft nicht zum Jubel, aber sie verhinderte schlimmere Verhandlungsergebnisse. Das Verständnis der Mitgliederbeteiligung in dieser Auseinandersetzung war allerdings in Teilen fragwürdigt. Ohne Mandat und Täuschung von Funktionären wurden Verhandlungen geführt. „Ich schäme mich, den Mitglieder empfohlen zu haben, auf 2 Prozent Verzicht für zwei Monate zu votieren, wo ihr schon längst anderes im Auge hattet. Was ist das für ein Umgang mit Funktionären, sie zu briefen, so ein Votum wäre ok?“ habe ich auf einer Mitgliederversammlung in Hamburg gesagt.

Die Frage stellt sich, ob man jemals wieder eine gemeinsame Tariffront im Tiefdruck erreicht? Große Druckereien haben keine Bindung, es gibt so genannte Regelungen zur Beschäftigungssicherung, die unterschiedliche Laufzeiten bis zu sechs Jahren beim Marktführer haben, die auch andere Punkte ergänzend regeln und es gibt den Konsolidierungsdruck. In ver.di wird man sich aktuell um eine Antwort drücken, die MTV Runde 2011 steht an, da wird nicht über das danach gedacht. Konzentrieren wir uns auf das nächste.

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