Bei der aktuellen Durchsicht (27. September 2025) von Dokumenten zum Kauf der MOPO durch die internationale Investorengruppe VSS/Mecom 2006 stolperte ich über Papiere von mir, die sowohl die strategischen Herangehensweise an die Folgen des Verkaufs zum Ausdruck bringen wie auch das Tempo, wie wir uns formierten.
Unser Zusammenhalt als betriebliche und gewerkschaftliche Interessenvertretung in den drei Jahren (2006-2009) waren beispielhaft, wie man sich formieren kann und ein Unternehmen so unter Druck zu halten, so dass die strategischen Überlegungen am Markt nicht realisieren konnte (was nicht an uns lag). David Montgomery beschwerte sich später in der Times darüber, wie unfair wir mit ihm umgegangen waren und uns Schuld an seinem Scheitern vorwurf.
Am 20. April 2006, gerade einmal drei Monate nach dem Kauf der MOPO durch VSS/Mecom, kam es zur Bildung eines Konzernbetriebsrat der Galatea Einundfünfzigste Vermögensgesellschaft, aus der später die BV Deutsche Mediengruppe wurde. Bei der Galatea handelte es sich um die oberste Gesellschaft der Erwerbergruppe des Berliner Verlages und der Hamburger Morgenpost, darunter war die BV Deutsche Zeitungsholding, die die operativen Geschäfte der VSS/Mecom verantwortete.
Der Berliner Verlag wurde am 25. Oktober 2005 gekauft, die Hamburger Morgenpost (Morgenpost Verlag GmbH) am 27. Januar 2006. Das Kartellamt hatte dem Kauf der Morgenpost Verlag GmbH am 22. Februar 2006 zugestimmt. Bereits vorher hatten wir als Betriebsräte über die Bildung eines Konzernbetriebsrat gesprochen.
Wir gingen auf der Basis der Erklärungen insbesondere des VSS Management davon aus, dass die neue Gruppe wachsen will. Es ergab sich auch aus der strategischen Absicht von Finanzinvestoren, eine größere Einheit zu schaffen, die man dann nach drei bis fünf Jahren wieder veräußert. Der Profit sollte (und konnte) nicht aus den Jahresergebnis für die Anleger in den Fonds erzielt werden, sondern aus dem späteren Verkaufserlös (als ständiger Prozess). VSS war im deutschen Markt überall am suchen und bot u.a. für die damals in einer Krise befindlichen „Süddeutschen Zeitung“, der „Braunschweiger Zeitung“ und andere Titel.
Aus unseren Erfahrung bis 1999 (MOPO) bzw. 2002 (Berliner Verlag) in den „uns“ beherrschenden Unternehmen wie Gruner+Jahr wussten wir, was wir nicht wollten. Der KBR machte uns damals im Zusammenspiel mit Gewerkschaft IG Medien deutlich, dass wir gerne zu hören können, aber unsere Impulse nicht willkommen waren.
Einen Wandel der Medienwirtschaft gab es für sie nicht, das Wachstum von G+J bedeutete für sie, dass ihnen etwas von der Gewinnbeteiligung genommen würde. Ein Austausch mit Betriebsräten aus anderen Minderheiten-Beteiligungen war nicht gewollt u.v.a.m.
Anfang Februar 2006, es waren gerade einmal zwei Wochen nach dem Kauf der MOPO vergangen und das Kartellamt hat die Übernahme nicht durchgewunken, fasste ich die bis dahin geführten Diskussionen in einem Arbeitspapier zusammen:
„Vorschlag zur Bildung eines Konzernbetriebsrats BV Deutsche Zeitungsholding/Galatea
Problembeschreibung
- Es gibt einen KBR auf Ebene des Berliner Verlages, der sich im Rahmen des Verkauf der ehemaligen G+J/Holtzbrinck-Aktivitäten an die Investorengruppe um VSS und Mecom im Oktober 2005 gebildet hat. Mit ihm ist eine sinnvolle wie wirksame Arbeitsform für die Betriebsräte der verschiedenen Unternehmen geschaffen worden. Der Kauf der Morgenpost Gesellschaften erfolgte nach Presse-Erklärung durch die BV Deutsche Zeitungsholding, die ihrerseits auch die Gesellschafterin des Berliner Verlages bzw. der dortigen Beteiligungen ist. Eine einfache Integation des MOPO Betriebsrats in den KBR des Berliner Verlages ist nicht möglich, so dass vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit zu prüfen ist, ob man einen KBR an der Spitze der Erwerbergruppe bilden kann.
- Bisher sind keine Buisnesspläne der Erwerbergruppe bekannt. Durch das Bekannt werden der Rendite-Erwartungen der Investorengruppe in zwei Jahren auf ein Ebit von über 23 Mio. € zu kommen, muss man davon ausgehen, dass diese Ergebnisverbesserung über einen Personalabbau insbesondere am Berliner Standort erfolgen wird. Zu den Überlegungen, wie die Gesellschafter die Ergebnisverbesserung erreichen werden, könnte es passen, zentrale Leistungen in Berlin zu konzentrieren. Dies könnte heißen, dass die regionalen Verlagsleistungen in Berlin angesiedelt werden oder es zu einer Mantellieferung für die Boulevard-Zeitungen kommt. Hier käme es zu einem gemeinsamen oder gemeinsam geplante Technikansatz. Vor dem Hintergrund der Stellung des Berliner Verlags in der gesamten Unternehmensentwicklung muss man davon ausgehen, dass neue Konzernstrukturen etabliert werden sollen und es einheitliche Vorgaben im Bereich der Etats wie des Reportung u.a.m. geben wird.
- Die Investorengruppe hat erklärt, dass sie in verschiedenen Segmenten der Printmedien wie z.B. im Zeitungs- und Fachzeitschriften und Rundfunkmarkt in Deutschland wie international wachsen wollen. Sofern es zu deutschen Aufkäufe kommt, sollte es zu einer einfachen Integration und Einbeziehung der dort im Zweifel vorhandenen Betriebsräte in einem bestehenden KBR kommen. Die Gruppe wolle organisch und durch weitere Aufkäufe wachsen. Nach VSS soll die gesamte Gruppe in der BRD einen Jahresumsatz von 300 bis 300 € erreichen. In dem WELT Gespräch hat der VSS Vertreter von Bismarck erklärt: „Die BV Holding ist als Plattform konzipiert.“
- Der internationale Wachstum der Erwerbergruppe ist angekündigt, aber außer einem Bieter-Verfahren um die niederländische Zeitung „Limburg Dagblad“ wird öffentlich nichts gehandelt. Geboten hatten VSS/Mecom um die Socpress in Frankreich und sollen um die DMTG-Gruppe in UK. Die europäischen Aktivitäten der beiden Finanzinvestoren sollten weiter beobachtet werden und wo es sich ergibt, sollte man sich um Kontakte bemühen.
Zielsetzungen
- Es wird ein Konzernbetriebsrat auf Ebene der Dachgesellschaft der Erwerbergruppe gebildet. Nach dem gegenwärtigen Stand der Registereinsicht ist das beherrschende Unternehmen die Galatea Einundfünfzigeste Vermögensgesellschaft in Frankfurt, mit Sitz in Berlin (§ 54 BetrVG). Mit dieser KBR-Bildung wird das Ziel verfolgt, dass bei Aufkauf bestehende Betriebsräte nur noch ihre Vertreter in den KBR wählen (müssen).
- Der KBR des Berliner Verlages bleibt bestehen und bildet die wesentliche Grundlage für die Zusammenarbeit der Berliner Betriebsräte. Sollte es betriebsverfassungsrechtlich ernsthafte Probleme geben, wird geprüft, ob man den Weg über einen Berlin-Ausschuss oder eine Regelung nach § 3 BetrVG geht. Aus heutige Sicht muss es darum gehen, dass der KBR des Berliner Verlages erhalten bleibt.
- Die Mitglieder für den KBR auf Ebene der Dachgesellschaft der Erwerbergruppe werden durch die einzelnen Betriebsräte gewählt, sofern es keinen Gesamtbetriebsrat gibt. Die Mitglieder des KBR des Berliner Verlages werden in gleichen Verfahren gewählt (§ 54 BetrVG). Die einzelnen Betriebsräte prüfen ihre Vorschläge und berücksichtigen dabei, dass es auch zu bestimmten Themen möglich ist, dass es zu einer gemeinsamen Sitzung der beiden KBRs kommen kann.
- Mit der Konstituierung eines KBR auf Ebene der Dachgesellschaft der Erwerbergruppe sollte es in Folge zu einer jährlichen Konzernbetriebsräte-Versammlung unter Einbeziehung der Unternehmensleitung kommen (§ 53 BetrVG). Eine Konzernbetriebsräteversammlung muss einmal im Jahr durchgeführt werden und setzt sich zusammen aus den Mitgliedern des Betriebsausschuss (Berliner Verlag) sowie Vorsitz und stellvertreter BR-Vorsitzende. Zusammen mit einer gemeinsamen KBR-Sitzung wäre dieses Treffen das größte Betriebsräte-Treffen in der Unternehmensgruppe.
Wegbeschreibung zur Bildung eines KBR Galatea
Es wird ein Arbeitspapier erstellt, dass die Zielsetzungen, politischen und rechtlichen Herausforderungen umfasst. Ausgehend von dem Arbeitspapier und der Diskussion darüber, wird eine Zusammenfassung zum Vorgehen der Betriebsräte erstellt und die Fragen geklärt.
In dem Arbeitspapier gibt es u.a. einen Vorschlag für
– Entwurf eines Beschluss zur Bildung eines KBR an der Spitze der Erwerbergesellschaft.
– Entwurf eines Anschreibens an die örtlichen Arbeitgeber, in dem der KBR-Beschluss mitgeteitk wird.
– Entwurf eines Zeit- und Aufgabenplans.
Aufgaben und Zeitplan
Verständigung der einzelnen Betriebsräte auf das Vorgehen zur Bildung eines KBR auf Ebene der Dachgesellschafter der Erwerbergruppe.
Klärung der rechtlichen Fragen mit der ver.di Bundesverwaltung
verw.: NN Termin: bis 28.02.2006
Vorschlag eines Arbeitspapiers für ein gemeinsames Vorgehen der Betriebsräte
verw. NN Termin: bis 28.02.2006
Verständigung mit den BR-Vorsitzenden
Termin: bis 3.3.2006
Termin: bis 10.03.2006
Gespräch mit den Geschäftsführer Peter Skulimma und Josef Depenbrock über ihre Positionen zu einem KBR auf Ebene der Erwerbergruppe sowie ausloten von rechtlichen Sichtweisen auf Arbeitgeberseite.
Termin: bis 10.03.2006
Nach dem Gespräch mit Skulimma/Depenbrock Weitergabe der Beschlüsse der einzelnen Betriebsräte an die örtlichen Arbeitgeber.
Termin: bis 17.03.2006
Der Betriebsrat des Berliner Verlages als der größte Betriebsrat lädt zu konstituierenden KBR-Sitzung nach Berlin ein.
Termin: Zwischen 20. – 24.03.2006“
Am 17. Februar 2006 wandte ich mich mit unserem Anliegen einer KBR-Bildung auch an die zuständige Abteilung in ver.di, die nichts mit der operativen Gewerkschaftsführung für die Medienwirtschaft zu tun hatte. Wir stimmten uns aber auch mit unseren Anwaltskanzleien ab.
„Der KBR sollte an der Spitze der Erwerbergruppe stehen. Nach meinem bisherigen Stand – und auf der Basis der Presseerklärungen der Erwerbergruppe ist es so, dass in ihren Presse-Erklärungen als gemeinsamer Gesellschafter die BV Deutsche Zeitungsholding erwähnt wird. Nach dem Handelsregisterauszug wird diese Gesellschaft von der Galatea Einundfünfzigste Vermögensgesellschaft beherrscht.
Auf Ebene des Berliner Verlages hat sich der Konzernbetriebsrat Berliner Verlag gebildet. Nach meinen Informationen gehören folgende Unternehmen zu der Gruppe. Handelsregisterauszüge habe ich bestellt, liegen aber noch nicht vor:
- G+J Berliner Verlag HRB 36080
- BVZ Zeitungsdruck HRB 35215
- BVZ Anzeigenzeitungen HRB 78709
- BVZ Berliner Verlag Beteiligungen HRB 34141
- TIP Verlag HRB 32164
Es muss gewährleitstet sein, dass die Betriebsräte des Berliner Verlages auch künftig betriebsverfassungsrechtlich abgesichtert zusammenarbeiten können. Ein reines Betriebsräte-Treffen ist nicht wünschenswert. Die Frage ist, ob der bestehende KBR Berliner Verlag bestehen bleibt bzw. bleiben sollte. Wenn diese der Fall ist, sind dann alle Betriebsräte auch mit zwei Vertretern in dem KBR Galatea?
Gäbe es betriebsverfassungsrechtliche Probleme, wenn man den KBR auf Eben der BV Deutsche Zeitungsholding bilden würde bzw. ginge das überhaupt?
Wenn die Galatea nur eine Briefkastenfirma ist, könnten wir hier einen KBR bilden?
Aktuell sind alle Akten der Galatea und der BV Deutsche Zeitungsholding in Bearbeitung, so dass wir nichts weiter über beteiligte bzw. deren Gesellschafterverträge wissen.
Als Gesellschaftervertrag liegt lediglich der der Morgenpost Verlag GmbH vor. Die anderen kenne ich nicht (Berlin).
Mein Ansatz wäre, dass man mit den Herren Skulimma(GF Berliner Verlag) und Depenbrock (GF Hamburger Morgenpost) spricht, das wir zwei Ziele verfolgen: einen KBR auf Spitze der Gruppe und zum anderen auf Ebene des Berliner Verlags eines betriebsverfassungsrechtliche Zusammenarbeit. Sofern aus ihrer Sicht eine Vereinbarung nach § 3 BetrVG der vorstellbare Weg wäre, kann man diese Frage prüfen. Bedingung wäre aber eine schnelle Erledigung des Vorgangs (binnen 14 Tagen). Ansonsten würde man den formalen Weg nach § 54 BetrVG gehen.“
Den Zeitplan haben wir am Ende nicht ganz gehalten, aber vier Wochen später war schon fast eine Punktlandung, vor allem wenn man bedenkt, dass wir in der gleichen Zeit auch in der Debatte um eine internationale Zusammenarbeit bzw. Euro-Betriebsrat und unser Online-Strategie waren. In der Praxis mussten wir unsere KBR-Zusammenarbeit finden, wir waren initiativ bei der Gründung von Betriebsräten und sorgten für die notwendige Solidarität bei betrieblichen Auseinandersetzungen. Mit einem standortbezogenen Informationsausschuss über die wirtschaftliche und finanzielle Lage, ihre technologische Strategie und Personalplanung waren wir mit dem Management in einem festgelegten Dialog.