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Holger Artus

Ein Versuch, nach der Übernahme der MOPO 2006, Konkurrenz unter den Redaktionen zu verhindern

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Per Zufall stolperte ich die Tage (27. September 2026) über ein Schreiben des MOPO-Betriebsrat an die Redaktion des Berliner Kuriers. Was war passiert?

Am 27. Januar 2006 wurde die MOPO von der BV Deutsche Zeitungsholding gekauft. Dahinter steckte der Finanzinvestor VSS aus den USA und David Montgomery, ein britischer Investor. Zur BVZH gehörte vor allem der Berliner Verlag mit seinen großen Printtiteln, Berliner Zeitung (Abo) und Berliner Kurier (Kaufzeitung). Für die MOPO mit ihrer Redaktion und den Verlagsabteilungen war der Kauf ein eher bedrohliche Lage, da die Synergien nach unserer Einschätzung Richtung Berlin gehen würden. Wir mussten uns in Hamburg aufstellen, brauchten aber auch Verbündete im Berliner Kurier. Unsere damalige Erwartungshaltung war sehr gering. Auch redaktionell setzte der Kurier auf den klassischen Boulevard, was in Hamburg so nicht der Fall war.

Nach Rücksprache mit dem Berliner Betriebsrat entschieden wir uns für ein Anschreiben an die Redaktion des Berliner Kurier am 7. Februar 2006, um für uns in dem Sinne zu werben, dass beide Redaktionen sich noch gut aus G+J-Zeit kennen (bis 1999), dass bei uns Kolleginnen und Kollegen aus dem Berliner Kurier arbeiten und das wir uns auf sie als Kollegen:innen freuen. Besonders freuten wir uns auf die Zusammenarbeit mit ihrem Betriebsrat, dem wir uns verbunden fühlten.

Wir hatten die MOPO vorgestellt und für unsere betriebsrätliche Haltung geworben, dass beide Redaktionen in ihren Lese-Märkten mit ihrem Profil stark sind. Wir nahmen auch noch einmal Bezug auf die Sorgen in der Kurier-Redaktion, als Anfang Oktober 2025 „Heuschrecken“ die Berliner Zeitung/Berliner Kurier übernahmen, die jetzt auch uns gekauft hatten. Betont hatten wir unseren Willen, für die Arbeitsplätze in Hamburg zu kämpfen würden. 

Zur Betonung der Position der Betriebsräte in Berlin und Hamburg, dass wir vor Ort die beste Lösungen sehen und wie das aussehen könnte, war für den Fall der zu erwartenden Zustimmung des Bundeskartellamts zum MOPO-Kauf auch eine gemeinsame Presse-Info mit dem Betriebsrat des Berliner Verlags geplant. Sie erschien am 22. Februar 2006.

Strategisch setzen wir auf redaktionelle Kollegialität, wir brauchten Verbündete im Kurier und den Willen der Interessenvertretungen in Berlin und Hamburg, abgestimmt für gemeinsame Wege zu agieren. Mit unserem Schreiben vom 7. Februar 2006 setzten wir ein Zeichen, dass unsere gemeinsame Zukunft nicht von Konkurrenz geprägt werden sollte. Dabei waren wir ohne Illusion, dass das ein schweres Unterfangen werden dürfte. Wie sagt es Brecht in der „Dreigroschenoper“: doch die Verhältnisse, sie sind nicht so. Hier das Schreiben an die Redaktion des Berliner Kuriers:

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Redaktion des Berliner Kuriers,

fast schmunzelnd – wenn es nicht so ernst wäre – haben wir als Betriebsrat der Hamburger MORGENPOST den Verkauf an die BV Deutsche Zeitungsholding zur Kenntnis genommen. Als wenn einen die Geschichte verfolgt, haben beide Boulevard-Zeitungen wieder einen gemeinsamen Besitzer. Die MOPO gehörte von 1986 bis 1999 zu G+J, von 1999 bis 2005 waren Frank Otto (bis 2004) und Hans Barlach sowie Josef Depenbrock MOPO-Gesellschafter. Diesmal ist es nicht G+J, sondern eine Gruppe von Finanzinvestoren, die beide Boulevard-Zeitungen besitzen.

Dass gerade der ehemalige G+J-Vorstandsvorsitzende, Gerd Schulte-Hillen, auch noch dem Aufsichtsrat der neuen Gruppe angehört, gibt dem ganzen noch eine besondere Note.

Wir freuen uns auf unsere alten wie neuen Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion des Berliner Kuriers. In der MOPO gibt es Beschäftigte aus dem Kurier bzw. dem Vorläufer, dem Kurier am Abend. Umgekehrt können wir uns an unsere MOPO-Kolleginnen und Kollegen im Kurier erinnern und pflegen bis heute unsere Kontakte.

Neben der Tatsache, dass wir für rund 10 Jahre einen gemeinsamen Arbeitgeber hatten, gab es von 1998 bis 2000 die G+J Redaktionsgemeinschaft. Beide Betriebsräte haben sich damals gegen diese Gemeinschaft ausgesprochen. Wir waren für einen redaktionellen Austausch, aber: In seinen eigenen Mänteln hat sich jeder wohler gefühlt.

Die Investitionsentscheidung der Gesellschafter der BV Deutsche Zeitungsholding, das Anzeigen- und Redaktionssystem DIALOG von Funkinform zu kaufen und ein möglicher Einsatz für alle Titel der Gruppe, lässt uns aufhorchen. Zwar werden sie den Verantwortlichen erklären, dass erst einmal nur das Anzeigensystem in Hamburg und Berlin im 1. Halbjahr eingeführt wird. Weiteres sei nicht beschlossen. Für die MOPO-Redaktion gibt es aber kaum eine Alternative nach der Einführung eines Anzeigensystems von Funkinform. Für uns ist klar: Mit einer einheitlichen technischen Plattform für die Redaktionen in Berlin und Hamburg ist eine Voraussetzung für redaktionelle Synergien gegeben. Der technische Fortschritt der Redaktionssysteme ist enorm. Mit FUNKINFORM ist es eine gedrückte Maustaste, um einen Text von a nach b zu ziehen bzw. in ein anderes Produkt zu heben. Wir wissen, dass der redaktionelle Alltag anders funktioniert, aber übersehen auch nicht, dass hinter den Absichten der Gesellschafter finanzielle Interessen stehen. Wir wünschen uns, dass sich insbesondere beide Boulevard-Redaktionen von KURIER und MOPO zusammen positionieren, so dass für das Berufsbild der Journalisten und deren Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt für die Leser kein Schreckensszenario „Zentraler Mantel“ Wirklichkeit wird.

Die MOPO ist die kleinste unter den Boulevard-Zeitungen und die älteste. Wir haben zurzeit eine Auflage von 111.025 und eine Reichweite von 320.000 Lesern. In Verlag und Redaktion arbeiten ca. 125 Beschäftigte. 77 Planstellen sind für die Redaktion, einschließlich 9 Volontäre, im laufenden Etat vorgesehen. Zur MOPO gehört mopo.de, einer der ersten (1995) Online-Auftritte von deutschen Tageszeitungen undmit derzeit über 600.000 Visits ein erfolgreicher dazu. Das ePaper der MOPO hat –wie auch bei den anderen Zeitungsverlagen – eine geringe Auflage, signalisiert aber auch die Modernität der Zeitung. Die Auflagenspitzen sind Freitag (TV-Beilage) und der Montag, hier haben wir eine 12-seitige Bundesliga-Beilage im Blatt. Am Dienstag haben wir mit „Digatrend“ eine 8-seitige Computer/Game-Beilage, die eine gute Leserakzeptanz hat und am Donnerstag die traditionelle Veranstaltungs- und Kinobeilage „plan7“ (28 bis 32-Seiten). Sonnabends erscheint unsere 8-seitige „Rätsel und Reisen“ Beilage.

Die MOPO schrieb zu G+J Zeiten fast immer Verluste. Seit dem damaligen Verkauf (1999) sind wir dieses Gespenst losgeworden. Insbesondere unter der Verantwortung von Frank Otto wurde eine Wende in der finanziellen und wirtschaftlichen Entwicklung eingeleitet.

Als Betriebsrat haben wir zur jetzigen Übernahme erklärt, dass wir dem Kauf souverän entgegen sehen. Die MOPO ist dritte Zeitung am Hamburger Markt. BILD Hamburg und Hamburger Abendblatt nehmen mit ihren Auflagen eine mächtige Stellung im Vertriebs- und Anzeigenmarkt ein. Die MOPO ist bisher viermal verkauft worden. Wir wissen aus Erfahrung: Wenn die Geschäftspläne der Erwerber stehen, steigt der Druck auf die Arbeitsplätze. Wir wissen uns aber auch unserer Haut zu wehren. Zu unserem Selbstverständnis gehört, dass wir eine Zusammenarbeit mit den Geschäftsführern und Gesellschaftern oberhalb gesetzlicher Regelungen betreiben und dass Gespräche neben der Meinungsbildung auch der Zukunftssicherung dienen können. Daran werden wir uns auch künftig ausrichten. Auf die Zusammenarbeit mit den Betriebsräten der Berliner Verlagsgruppe freuten wir uns.

Sicherlich machen sich unsere Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion und im Verlag der MOPO Sorgen um die Zukunft. Für uns ist es das erste Mal, dass nicht Verleger, sondern Finanzinvestoren die Zeitung kaufen, die eine andere Geschäftsidee verfolgen. Sie wollen die gekauften Unternehmen mit einer Wertsteigerung später wieder veräußern. Wir übersehen nicht, dass Zeitungsverleger nicht gerade zimperlich agieren, wenn sie z. B. eine Zeitung übernehmen. Wie jeder Unternehmer sind sie auf wirtschaftlichen Erfolg aus. Das besondere an der neuen Konstellation ist, dass die Rendite-Erwartungen offenbar so hoch sind, dass man deren Realisierung nicht anders als über Personalabbau erreichen kann. Für die MOPO können wir uns nicht vorstellen, dass es im Anzeigen- oder Vertriebsmarkt Wachstum geben wird. Die Zeitung hat eine ruhige wie stabile Basis. Dass diese gesichert und erhalten wird, spielt für unser Engagement eine große Rolle. Uns geht es um die Arbeitsplätze und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Unsere Präferenz auf Arbeitsplätze in Redaktion und Verlag ist dabei klar.

Mit kollegialem Gruß

Holger Artus

Betriebsrat Hamburger Morgenpost

7. Februar 2006

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