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Holger Artus

Die gescheiterte Strategie „Stimme Berlin und letztendlich für ganz Deutschland“

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Jubel sollte aufkommen, als Andreas Albath, Verlagsgeschäftsführers des Berliner Verlages auf der Führungskräftetagung von G+J am Baumwall Anfang September 1997 zusammen mit Herausgeber Dieter Schröder das Konzept der Berliner Zeitung vorstellte. Die 230 versammelten Führungskräfte dürften auch heftig geklatscht haben für die Ausführungen. Aber am Ende war es doch nur heiße Luft. Aus dem großen Investitionen in den Zeitungsstandort Berlin ist das große Aufräumen geworden. Zwei damalige Redner der Führungskräftetagung von G+J sind nicht mehr in den Diensten des Unternehmens. Albath ist zur Freude der Hamburger Stäbe bei einem Start-up gelandet. Dieter Schröder (seit Januar 1996 bei der BLZ) hat seine Herausgeberschaft in diesem Jahr aufgegeben. Der dritte im Bunde wurde noch recht teuer für G+J, der Chefredakteur Dr. Michael Meier. Von Chefredakteur der Berliner Zeitung zum Chefredakteur des STERN – mit einem schnelle und teuren Ende. Mehr als 1,5 Millionen soll Maier für seine Vertragserfüllung für den STERN erhalten haben.

Das Ziel formulierte Dieter Schröder auf der damaligen Tagung so: „Wir wollen Hauptstadtzeitung, Stimme Berlins mit überregionaler Ausstrahlung sein.“ Chefredakteur Maier machte dann auch gleich die „überregionale Ausstrahlung“ klar: „Die neue ‚Berliner Zeitung‘ versteht sich als Qualitätszeitung. Was ‚La republica‘ für Rom oder ‚El Pais‘ für Madrid oder ‚Le Monde‘ für Paris und vielleicht die ‚Times‘ für New York ist, muss auch in Deutschland möglich sein.“ Es zurückhaltender formulierte der damalige G+J-Zeitungsvorstand Martin Stahel: „Die Berliner Zeitung hat das Ziel, eine Hauptstadtzeitung für ganz  Berlin und letztendlich für Deutschland zu werden, NICHT AUFGEGEBEN. Das bedeutet aber, möglichst viele Stammleser im Osten zu behalten und gleichzeitig mehr Westberliner für diese Zeitung zu interessieren.“

Der Regierungsumzug im Herbst 1999 eröffnete der Hauptstadtpresse die einmalige Chance, im Kampf um die Meinungsführerschaft ein weites Stück nach vorne zu stoßen. Mit einem mal saß man mitten im Zentrum des politischen Geschehens. Zur Berlin-Kompetenz könnte sich bald schon bundespolitische Bedeutung gesellen – doch noch war die Schlacht nicht geschlagen. Nun galt es, mit aller Kraft um neue Leser unter den Zugezogenen zu werben. Und ob die Berliner Presse den meinungsbildenden überregionalen Tageszeitungen in der Politik- bzw. Kulturberichterstattung ernsthaft zur Konkurrenz werden könnte, musste sich erst noch herausstellen

Bis 35 Millionen in den
Standortort Berlin investiert
Von 1996 bis 1998 wurde von Gruner+Jahr zwischen 30 bis 35 Millionen Mark in die personelle Ausstattung, Umfangserweiterungen, eine optimierte technische Infrastruktur sowie Marketing investiert. Zu dem damaligen Zeitpunkt war die Berliner Zeitung kerngesund, so Dr. Bernd Kundrun auf der Pressekonferenz zum 1997-Relaunch der Berliner Zeitung. G+J war immer stolz darauf, dass sie diese Investitionen im Standort Berlin bzw. den Relaunch der Berliner Zeitung aus eigener Kraft, aus dem eigenen Ergebnis. Als Ziel wurde formuliert, die Auflagenentwicklung (damals 216.902 verkaufte Exemplare) vor allem im Westteil der Stadt zu stärken. Dort sollte bis 2000 100.000 verkaufte Exemplare erreicht werden. Es wurde namhafte Journalisten eingekauft. Doch die Ergebnisse der Berliner Zeitung verschlechterten sich immer mehr. Am Ende wurde die Auflage nur noch durch die verschiedenen Marketingaktivitäten über 200.000 verkaufter Auflage gehalten. DieBerliner Zeitung lieferte sich im Februar 1999 mit der Berliner Morgenpost abermals einen Preiskrieg: Diesmal auf dem Feld der Autoanzeigen, deren Veröffentlichung nun in beiden Blättern kostenlos war. Daneben buhlten beide Zeitungen, wie auch der Tagesspiegel, mit teuren Marketingaktionen um die zugezogenen Bonner Beamten. Diese Aktion hat nur Geld gekosten und die kostenlosen Zeitungen sind einfach verschwunden. Während sich die Ergebnissituation des Berliner Kurier nach dem Abgang von Wieland Sandmann und dem Einstieg von Adolf Schwaner sich langsam verbesserte und heute in den leicht schwarzen Zahlen ist, wurde das Ergebnis der Berliner Zeitung tiefrot. In Ende der neunziger Jahre lag das Ergebnis bei über 15 Million Mark Minus. Neben dem sich wiederholenden Schöngerede über den Erfolg („Wir haben die Anzahl der Studenten-Abos steigern“) gab es auch nüchternere Betrachtungen. „Festzustellen ist allerdings, dass die Auflagenrückgänge in Ostberlin immer noch nicht ihre marktentsprechende Untergrenze erreicht haben. Der positive Trend (!!) in Westberlin dagegen setzt sich kontinuierlich fort.“ Soll heißen, Auflagenrückgang im Osten hält an und im Westen konnten die gesetzten Ziele nicht erreicht werden.

Jetzt heißt es aufräumen
Das Geld ist ausgegeben und der Erfolg am Markt hat sich nicht eingestellt. Jetzt geht man den Weg weg von Times und konzentriert sich auf Berlin. Im Frühjahr 2001 hatte es heftige Turbolenzen in der Redaktion über die Verkaufsgerüchte und die Kündigung von zwei Redakteuren gegeben. Am Ende kündigte G+J sogar den Chefredakteur Martin E.Süskind – gegen gutes Geld. Redakteure wendeten sich enttäuscht von der Berliner Zeitung ab, hielten Ausschau nach einer neuen Beschäftigung. Das Ergebnis der Berliner Zeitung wird mit ca. 3,9 Millionen Verluste gehandelt. Damit wurde auch die für 2000/2001 geplante ausgeglichen Ergebnis nicht erreicht, aber wie G+J es formulierte: „Die Berliner Zeitung zeigt beim Betriebsergebnis einen deutlichen Aufwärtstrend.“ Der dürfte jetzt in den letzten Wochen allerdings noch einen erheblichen Dämpfer verpasst bekommen haben. Insbesondere die Anzeigenerlöse sollen nach Angaben von Geschäftsführer Klein 30 Millionen weniger als das Vorjahr betragen. Die Prognosen des Unternehmens für die nächste Zeit gehen wieder in den tiefroten Bereich.

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