Es gibt vielfältige Form, an die NS-Opfer zu erinnern. Die Stolpersteine sind eine sehr verbreitete Möglichkeit, die NS-Verbrechen vor Augen zu führen. In Hamburg liegen über 7.000 von ihnen. Sie sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Der Künstler, Gunter Demnig, bleibt bescheiden und drängt sich niemanden auf. Sie dienen wegen ihrer Akzeptanz und Reichweite vereinzelt anderen auch als Projektsfläche. Eine Meinung kann man Menschen nicht nehmen. Sie ist eine Bedingung für einen Diskurs.
Der Stolperstein, der am 3. Dezember 2024 vor dem Billhorner Deich 76 für Filippo Faustilli verlegt wird, ist der letzte aus einer Reihe von Aktivitäten zu den italienischen Militärinternierten bzw. italienischen KZ-Häftlingen in Hamburg von mir. Hätte ich gewusst, was ich für die meisten Stolpersteine (für IMI und andere NS-Opfer) 2024 aus zivilgesellschaftlichen Strukturen beschimpft diffamiert und verleumdet wurde, ich hätte mir hier und da andere Lösungen gewünscht oder gesucht.
Diesen Stolperstein für Filippo Faustinelli habe ich selber bezahlt. Bei den anderen, an denen ich mich politisch 2024 beteiligt habe, war ich bei der Gewinnung von Patenschaften aktiv. Was Filippo Faustinelli betrifft, so bin im diesem Jahr zur Gedenkfeier nach Schandelah gefahren, bin bei seinem Grabstein in Königslutter gewesen, habe mit der Gemeinde Sezze (Geburtsort) und Latina (Wohnort bis 1941) Kontakt aufgenommen und in Hamburg zum Zwangsarbeitslager im „Porterhaus“ recherchiert.
Ursprünglich sollte für einen KZ-Häftling aus dem KZ Außenlager am Dessauer Ufer ein Stolperstein verlegt werden. Eine Patenschaft hatte ich organisiert. Wegen der Hetze, Verleumdung und Diffamierung aus Kreisen der Zivilgesellschaft habe ich mich für eine andere Lösung ausgesprochen. Bei der neuen Recherche zu einem KZ-Häftling aus Hamburg, der nicht im Außenlager Dessauer Ufer ums Leben kam, fand ich Filippo Faustinelli im Billhorner Deich 76 und weitere NS-Opfer aus Italien im Außenlager in der Spaldingstraße. Im April 2025 gibt es eine Stolperstein-Aktivität am Platz des ehemaligen Außenlager Spaldingstraße, am 3. Dezember 2024 vor dem Billhorner Deich 76. Hier die Info zur Verlegung.
Künftig wird ein Stolperstein vor dem Billhorner Deich 76 an den Italiener Filippo Faustinelli erinnern. Er war 1941 aus der Region Latium als Arbeitsmigrant nach Hamburg gekommen und lebte am Billhorner Deich 76. Zunächst arbeitete er für die Reichsbahn im Bahnbetriebswerk Rothenburgsort, das ein wichtiger Standort für Güterzüge in Richtung Wittenberge–Berlin und für Rangieraufgaben im Raum Hamburg war. In der Bahnmeisterei Rothenburgsort befand sich seit Anfang der 1940er Jahre ein Zwangsarbeitslager. Hierbei handelte es sich um Menschen, die aus Polen nach Hamburg verschleppt worden waren. Die Reichsbahn betrieb in Hamburg seit Beginn des Zweiten Weltkrieges bis 1945 über 25 Zwangsarbeitslager. Filippo Faustinelli arbeitete ab Mai 1943 bei der Baufirma Max Giese und war im Lager Millerntor untergebracht.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden Menschen aus besetzten Ländern als Zwangsarbeiter_innen nach Deutschland verschleppt. Im Gegensatz dazu kam Faustinelli vermutlich im Rahmen des 1938 zwischen der deutschen und italienischen Regierung geschlossenen Abkommens zur Entsendung italienischer Arbeitskräfte nach Deutschland. Die Bedingungen der italienischen Italiener:innen verschlechterten sich jedoch drastisch, nachdem Italien im September 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatte.
Überall in Rothenburgsort gab es Zwangsarbeitslager, und die dort ansässigen Unternehmen profitierten von ihrem Arbeitseinsatz. Zwangsarbeit in unterschiedlichen Formen durch KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter_innen war eines der öffentlichsten NS-Verbrechen.
Sie mussten für die Reichsbahn arbeiten, bei den Hamburger Gaswerken am Gasometer in der Marckmannstraße oder an der Ausschläger Allee 125 und 208, bei den Hamburger Wasserwerken auf Kaltehofe. Ein Kriegsgefangenenlager befand sich in der Hanseatenhalle (heute Evangelisches Altenwohnheim Billwerder Bucht). KZ-Häftlinge beseitigten im Stadtteil Trümmer und waren im KZ-Außenlager in der Schule am Bullenhuser Damm untergebracht. In der damaligen Sackfabrik Groß Egmont am Billwerder Neuen Deich 312/214 (heute 72), wurden neben Italienern auch Hamburger Juden und Jüdinnen sowie Sinti und Roma zur Zwangsarbeit eingesetzt.
Im Juni 1944 wurde Filippo Faustinelli festgenommen – die Gründe hierfür sind unbekannt – und ins KZ Neuengamme eingeliefert. Von dort überstellte ihn die SS in das Außenlager Schandelah bei Braunschweig. Dort setzte die Firma Steinöl GmbH ca. 800 Häftlinge verschiedenster Nationen zur Herstellung von Benzin aus Ölschiefer ein.
Filippo Faustinelli starb am 3. Dezember 1944 im Außenlager Schandelah. Sein Grabstein befindet sich auf dem Friedhof Königslutter/Scheppau. Er war einer von mehr als 200 Männern, die das Außenlager Schandelah nicht überlebt hatten.
Der Stolperstein in Rothenburgsort soll an ihn erinnern.
Er mahnt uns als Gesellschaft, dass die furchtbaren Verbrechen des NS-Systems nicht vergessen werden dürfen. Kein Mensch darf sich über andere erheben, sie wegen ihrer Herkunft oder Identität beleidigen und dann ausgrenzen.
Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg, Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm