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Holger Artus

Einladung zu einer Erinnerungskundgebung in der Bülowstraße

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Heute habe ich eine Einladung zu einer Kundgebung am 11. November 2024 in den Straßen um den Kundgebungsort, in der Bülowstraße, in die Briefkästen gesteckt. Der Text ist ein Gemeinschaftswerk, dass wir erst auf einem Treffen, danach in einem größeren Personenkreis über eine Server abgestimmt haben.

Eine sehr angenehme Erfahrung, da mein „klassisches“ Umfeld dieser Form ablehnend gegenüber steht. Inhaltlich geht es um die Zwangssterilisation von Roma und Sinti an November 1944 in der Frauenklinik des AK Altona in der Bülowstraße.

Ein Tag vorher habe ich Plakate in den Straßenzügen geklebt, so dass der Inhalt bekannter ist. Dabei kommt man mit den Menschen und im konkreten Standort mit Schüler:innen ins Gespräch. Auch das war sehr erbauend.

Erinnerung an die Zwangssterilisationen von Sinti und Roma in der Frauenklinik der Bülowstraße 

Im November 1944 und im Januar 1945 haben Ärzte in der Altonaer Frauenklinik des AK Altona in der Bülowstraße 9 dreizehn Menschen zwangssterilisiert. Es handelte sich dabei um Sinti und Roma sowie um People of Color (PoC). An diese Verbrechen durch das NS-System erinnern wir mit einer Kundgebung am 

Montag, den 11. November 2024, 17 Uhr, Bülowstraße 9 

Aus Gerichtsverfahren von 1946 ist bekannt, dass diese dreizehn Personen ohne Rechtsgrundlage auf mündliche Anweisung des damaligen Hamburger Gesundheitssenators, Nationalsozialist Dr. Friedrich Ofterdinger, körperlich misshandelt worden waren. Das „Erbgesundheitsgericht” entschied in der NS-Zeit über Anträge zur Sterilisation von Menschen, bei denen eine – manchmal auch nur angebliche – geistige, körperliche oder psychische Beeinträchtigung diagnostiziert worden war. Auch Alkoholkranke, Sexarbeiterinnen, Obdachlose und andere Personengruppen wurden zwangssterilisiert. Die Betroffenen selbst, ihre Eltern oder ihr Vormund konnten vor dem “Erbgesundheitsgericht” formal Widerspruch einlegen – Sinti und Roma hatten diese Möglichkeit nicht. Sie erhielten ihre Einweisung in die Klinik durch die Polizei und wurden von dieser abgeholt.

Es herrschte allgemeines Einvernehmen, dass Sinti und Roma ohne rechtliche Grundlage und ohne Interventionsmöglichkeiten die Fortpflanzungsfähigkeit genommen werden konnte. Ziel dieser rassistischen NS-Strategie war, die Volksgruppe vollständig zu vernichten. 

In Hamburg wurden mit drei Deportationen mehr als 1.500 Sinti und Roma in die Ostgebiete verschleppt. Wer in einer „gemischten“ Beziehung lebte, wurde nicht deportiert, dafür aber zwangssterilisiert – um die „Reinheit” des „deutschen Blutes” zu sichern. Betroffen waren Menschen jeden Geschlechts und jeden Alters. 

Der Zweck der Frauenklinik Altona in der Bülowstraße 9 wurde pervertiert. Sie war 1919/1920 als Entbindungseinrichtung geschaffen worden und gehörte zum AK Altona, das sich damals an der Max-Bauer-Allee/Ecke Hospitalstraße befand. Mit der Durchführung von Zwangssterilisationen an Roma und Sinti missachteten Ärzte:innen in der NS-Zeit ihre ethischen Berufsgrundsätze. 

Bereits seit 1933/34 wurden in Hamburg psychisch erkrankte oder dazu erklärte Menschen zwangssterilisiert. Gerechtfertigt wurden diese schweren Körperverletzungen mit der nationalsozialistischen „Rassenhygiene”. Diese war auch Grundlage für die Krankenmorde, die kalt und brutal als „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ bezeichnet wurden. Zehntausende Menschen wurden ab 1940 in psychiatrischen Anstalten ermordet. Im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort töteten Ärzte:innen zwischen 1940 und 1945 mehr als 120 Kinder. 

Mit der Kundgebung wollen wir an die Menschenrechtsverbrechen erinnern, die an den dreizehn Menschen in der Bülowstraße begangen wurden. Sie wurden erst rassistisch ausgegrenzt, anschließend als Ausgegrenzte diffamiert und schließlich deportiert und ermordet. 

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