Die Recherche zu Alice Latte war schwer, da es sehr wenig und nur einzelne Abschnitte gab. Sie gehörte zu den Überlebenden der Deportation von 10. März 1943 von Hamburg nach Theresienstadt/Terezin.
Alice Latte wurde am 11. April 1893 in Buenos Aires/Argentinien als Freide Chiffre Rein geboren. Ihre Mutter starb bei der Geburt. Ihr Vater, ursprünglich aus Hamburg, reiste mit seiner Tochter in die Hansestadt zurück, wandert dann aber allein in die USA aus. Freide wurde von einem Hamburger jüdischen Ehepaar adoptiert. Fortan heißt es Alice Latte. Sie war zweimal verheiratet. Aus der Ehe mit Felix Petersen ging ihre Tochter Felicitas am 14. August 1919 hervor, die in Flensburg zur Welt kam. Sie lebte nach 1945 in Wien.
Der längste Wohnort von Alice Latte in Hamburg war der Neuen Steinweg 78
Sie lebte im Neuen Steinweg 78 vermutlich die längste Zeit ihres Lebens in Hamburg. Ihre letzte Wohnadresse, über die sie am 10. März 1943 nach Theresienstadt/Terezin in der CSR, rund 65 km nördlich von Prag, deportiert wurde, war die Adlerstraße 20, heute Scheplerstraße, zwischen Thadenstraße und Paul-Roosen-Straße. Im damaligen Neuen Steinweg 78 wohnte sie seit Juni 1939. In der Adlerstraße 20 wohnte sie seit ihrer Rückkehr aus Köthen (in Thüringen), wo sie im Sommer 1942 für einige Monate hoffte, besser zu leben. Liest man ihre Wohnadressen seit 1936 in der NS-Zeit in Hamburg, so signalisiert es mir den Grad der Ausgrenzung jüdischer Menschen aus dem Leben. Jedes Jahr wechselte sie zweimal im Jahr ihre Wohnung, bis sie hier, im jüdischen Lazarus-Samson-Stift und Joseph-Levy-Stift im Neuen Steinweg 78, etwas leben konnte. Der Stift wurde 1943 der jüdischen Gemeinde von einem “Arier” geraubt. 1943 wurde es zerstört.
Alice hatte schreibt nach 1945, das sie 20 Jahre als Krankenschwester gearbeitet hätte, u.a. von 1934 bis 1936 in Wolfhagen bei Kassel, wo sie der Jüdischen Gemeinde beitrat. Seit Juni 1936 lebte sie wieder in Hamburg, zuerst in der Rutschbahn 25 a, im Haus 1. Sie arbeitet als Gesellschafterin und Pflegerin. Ihr Weg nach Theresienstadt/Terzin wird sie am 10. März 1943 über eine Sammelstelle zum Hannoverschen Bahnhof geführt haben. Am 12. März 1953 sind 51 jüdische Menschen aus Hamburg im Getto der ehemaligen tschechischen Garnisonsstadt angekommen. Hier betätigte sie sich u.a. als Wahrsagerin und Kartenleserin. An ihren Fähigkeiten sollen ihre Mithäftlinge und die Lagerleitung großes Interesse gehabt haben.
Alice Latte gehörte zu den Überlebenden. Von den insgesamt seit der Inbetriebnahme des Gettos in der Tscheslowakei 1941 Verschleppten 140.000 Menschen aus Europa überleben ca. zehn Prozent. Ein Viertel der Gefangenen des Ghettos Theresienstadt (etwa 33.000) starben dort vor allem wegen der entsetzlichen Lebensumstände. Etwa 88.000 Häftlinge wurden nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager wie Treblinka, Majdanek oder Sobibor deportiert. Während der letzten Kriegstage trafen noch einmal 13.000 weitere Gefangene ein, die aus liquidierten Konzentrationslagern in Deutschland und Polen nach Theresienstadt deportiert worden waren. Am 8. Mai 1945 befreite die Rote Armee Theresienstadt.
Alice Lattes Weg zurück nach Deutschland führte sie aber nicht nach Hamburg, sondern nach München, wo sie wegen einer Krebserkrankung operiert wurde. Dort lebte sie bis 1948 im DP-Camp in Deggendorf. Sie wollte zu Verwandten in die USA und kam am 21. Mai 1947 in New York an, wo sie einige Zeit lebte, sich aber nicht wohl fühlte. Sie wollte zurück nach Deutschland oder Österreich, wo ihre Tochter lebte, verfügte aber die ersten Jahre nicht über die finanziellen Mittel. 1954 starb sie in Hamburg.
Stolpersteine vor dem Neuen Steinweg erinnern an NS-Opfer
Vor dem Neuen Steinweg 20 liegen mehrere Stolpersteine, die an Clara und Jacob Boldes, Margarethe Golstein, Ernst Lissauer, Rosa und Fanny Salomon erinnern. Auf den Internetseiten der Hamburger Stolperstein www.stolpersteine-hamburg.de hat Susanne Rosendahl aus deren Lebensabschnitten bis zu deren Ermordung geschrieben. Sie alle wurden zwischen dem 25. Oktober und 8. November 1941 deportiert und später ermordet. Unter dem Navigationspunkt “Namen, Orte und Biografien suchen” können sie sich bis auf Ernst Lissauer informieren. Über ihn wird es später sicher auch biographische Stichworte geben. Auch er wurde 1941 deportiert und ermordet.