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Holger Artus

Zwei Stolpersteine für Martha und Ewald Markowitz in der Burchardstraße 12

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Am 10. Juli 2021 werden vor einer Einfahrt in den Innenhof der Sprinkenhof, der Burchardstraße 12, zwei Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an Martha und Ewald Markowitz, die hier bis 1941 gelebt haben.

Mit der Verlegung dieser Steine schließe ich eine weitere Aktivität ab, die sich aus meinen Recherchen zur NS-Geschichte des Kontorhausviertels ergeben hatte. Es ist kein schöner Anlass und bleibt schmerzhaft, aber mit den beiden Stolpersteinen wird auch im diesem Viertel der Hamburger Kaufleute eine weitere Erinnerung geschaffen.

Ein paar Geschichten über die NS-Zeit werden noch zu erzählen sein. Den folgenden Text habe ich am 9. Juli 2021 vor dem Sprinkenhof verteilt. Dazu kam noch ein Plakat, dass ich zur Ankündigung an den Torbogen der Burchardstraße 12 angebracht hatte.

Am Sonnabend, den 10. Juli 2021, werden jeweils Stolpersteine für Martha und Ewald Markowitz vor der Burchardstraße 12 verlegt. Sie wurden am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Ihre Spuren verloren sich dort. Sie wurden später für tot erklärt wie viele andere zehntausende jüdischer Menschen, die nach Minsk deportiert waren.

Ewald Markowitz war Einzelhandelskaufmann. Martha, geborene Sydkemsky, war Erzieherin. Wie bis vor einigen Jahrzehnten weitgehend üblich, hörte sie nach der Hochzeit auf, ihrem Beruf nachzugehen. Die Lebensbedingungen der beiden veränderten sich mit dem Machtantritt der Nazis grundlegend. Ewald arbeitete seit 1927 bei Karstadt, wurde aber im Mai 1933 entlassen, weil er Jude war. Er fand zeitweilige Anstellungen in jüdischen Unternehmen, aber auch sie litten wirtschaftlich unter den antisemitischen Kampagnen der Nazis, die nicht erst mit den Pogromen im November 1938 begannen. Bis zur der Deportation 1941 musste Ewald auch als Zwangsarbeiter in einem Steinmetzbetrieb in Stade arbeiten. Das Paar war immer wieder auf öffentliche Hilfe angewiesen, die ihnen – nach Hausbesuchen – im Einzelfall gewährt wurde.

Jüdische Menschen wurden zunächst ausgegrenzt, ihrer beruflichen Existenz beraubt, verfolgt und vertrieben. Ab 1941 erfolgte mit den Deportationen ihre systematische, industriell organisierte, Vernichtung. Allein am 8. November 1941 wurden fast 1.000 Jüdinnen und Juden über den Hannoverschen Bahnhof, der sich hinter dem heutigen Spiegel-Gebäude befindet, nach Minsk deportiert. 

Die Eigentümer von jüdischen Unternehmen wurden bis 1939 aus dem Kontorhausviertel vertrieben. Deren Angestellte verloren nach den Raubkäufen durch „arischer Geschäftsleute“ ihre Beschäftigung. So auch Martin Perlstein, der ganz in der Nähe der Burchardstraße 12 in der Mohlenhofstraße 2, sein Unternehmen verkaufen musste. Am 28. September 1942 wurde er nach Auschwitz deportiert. An ihn erinnert ebenfalls ein Stolperstein vor den Räumen eines früheren Geschäfts. 

Im Kontorhausviertel findet man viele Spuren aus der NS-Zeit. Andere Unternehmen wie die Waffenhändler Tramm & Hinners, die heute immer noch ihren Sitz im Kontorhausviertel, Pumpen 6 im Chilehaus C, haben, hatten der Nazi-Polizei-Organisation „SS“ und der paramilitärischen NSDAP-Struktur „SA“ Waffen verkauft bzw. zum Kauf angeboten. Andere Unternehmenbegannen in der Zeit, Kriegsgefangene ab 1941 als Zwangsarbeiter einzusetzen. 1943 wurde im damaligen Heinrich-Bauer-Haus (Burchardstraße 11) ein Zwangsarbeitslager für italienische Militärinternierte (IMI) eingerichtet. Vor kurzem wurde eine Stolperschwelle vor dem Gebäude der Bauer Media Group eingelassen, die an das Lager und das Leiden und Misshandlungen der Insassen erinnert. Die IMIs wurden von ua von J. Henning Weseloh oder Jürgen Bremer (beide Springenhof 8) eingesetzt, aber von C&A. Zu den Unternehmen im Kontorhausviertel, die italienische Militärinternierte bis 1945 einsetzten, gehörten die Bauunternehmen Paul Hammers (Mohlenhof)  und Friedrich Eddelbüttel (Burchardstraße 22). Heute gibt es eine Niederlassung von Aug. Prien im Sprinkenhof, in der Burchardstraße 8. Damals beschäftigte das Unternehmen Hunderte IMIs in Hamburg und betrieb eigene Zwangsarbeitslager in Harburg. Aug. Prien baute in der NS-Zeit Baracken für Zwangsarbeiter wie z.B. für die damalige Phönix AG in Harburg, und war auch am Bau von KZs-Gebäuden beteiligt. 

Die Sprinkenhof war nicht nur Vermieterin der Büroräume im Meßberghof für Tesch & Stabenow, eine Vertriebsfirma, die Zyklon B in die KZ lieferte und den Gebrauch des Gifts schulte; in der Burchardstraße 8 war der ein Unternehmenssitz des Produzenten von Zyklon B, der Deutschen Gesellschaft zur Schädlingsbekämpfung. 

So sehr unsere Gesellschaft Antisemitismus ablehnt und es nicht hinnimmt, wenn Nazis heute versuchen, als Corona-Leugner wieder gegen Juden hetzen, wir müssen auch selber Haltung einnehmen. Wir leben in demokratischen Verhältnissen, die Gesellschaft verteidigt ihre Werte, aber man darf man auch nicht vergessen, was einst passierte! 

Stolpersteine sind eine kleine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart. Sie helfen uns, nicht zu vergessen. Vielleicht schauen Sie sich die im Kontorhausviertel verlegten Stolpersteinen und -schwelle einmal an. Sie erzählen 

Sie können sich über einzelne Momente aus der NS-Geschichte im Kontorhausviertel auf der Web-Seite https://messberghof.wordpress.com informieren.

Wir haben auch ein kurzes Video zur Anlass der Stolpersteinverlegung erstellt.

Hier die Info als pdf

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